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FC Barcelona für Anfänger – Taktik & Aufstellung

17 Feb

Im Rahmen einer kleinen Gemeinschaftsaktion mit dem spanischen Blog www.diarioyoya.com zum FC Barcelona wird es in den nächsten Tagen bis zum Champions League-Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und Barca einige Gastbeiträge auf beiden Blogs geben. Auf beiden Seiten werden jeweils die eigenen Teams analysiert, was Spielsysteme und Entwicklung in den vergangenen Jahren angeht, aber auch dargestellt wie im jeweiligen Land eigentlich der andere Verein bzw. die andere Liga gesehen wird. Alles natürlich hochgradig subjektiv.

Der heutige, zweite Beitrag wurde geschrieben von User Reggae und übersetzt von McCraken. Er analysiert das Spielsystem des FC Barcelona in dieser Saison und gibt einen schönen Überblick über die Stärken und Schwächen der einzelnen Spieler.

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Die Spielweise des FC Barcelona unter Guardiola ist eine Weiterentwicklung des Rijkaard-Barça: asymmetrisches 4-3-3, vorgezogene Verteidigung und Pressing schon ab der ersten Stürmerlinie. Ballbesitz ist unverzichtbar, Barça hat wie keine andere Mannschaft der Welt die Fähigkeit, sich den Ball anzueignen.

Einer der Unterschiede zur Rijkaard-Zeit ist die Umkehrung der Asymmetrie: früher war die rechte Seite eher defensiv, heute ist es die linke. Im Allgemeinen besteht die Barça Abwehr aus zwei Innenverteidigern, mindestens einer davon mit der Fähigkeit, den Ball mit Präzision nach vorne zu spielen (für Guardiola am Besten beide), und zwei Außenverteidigern, einer mit eher defensivem Profil und der Andere offensiv.

Im Mittelfeld haben wir drei Spieler, auch ein Erbe der Rijkaard Zeit. Der Niederländer entschied sich für einen einzigen Defensivmittelfelder, eine Art dritter Innenverteidiger, groß und mit guter Passtechnik. Unter Guardiola hat der Mann auf dieser Position allerdings eine größere Verantwortung beim Spielaufbau erhalten.

Die anderen zwei im Mittelfeld sollten technische Spieler sein, mit genauem Passspiel und mit der Fähigkeit, den Ball im Besitz halten zu können. Guardiola gibt den beiden große Wichtigkeit innerhalb des Teams, mit konstantem Positionswechsel (auch mit dem defensiven Mittelfeldspieler) und dem klaren Ziel, keinen Ball zu verlieren.

In der Offensive finden wir auch Asymmetrie. Messi ist der Fixpunkt auf dem rechten Flügel, während links ein Spieler gebraucht wird, der gut ohne den Ball spielt und gleichzeitig treffsicher vor dem Tor. Ein großer Unterschied zur Rijkaard-Ära: Guardiola erwartet von seinem Mittelstürmer nicht nur Tore, sondern auch Beteiligung im Spielaufbau. Das ist einer der Gründe für den Tausch Eto’o-Ibrahimovic.

Die aktuelle Startaustellung:
Valdés
Alves, Puyol, Piqué, Abidal
Busquets, Xavi, Iniesta
Messi, Ibrahimovic, Henry.

Valdés ist unumstritten im Tor. Er soll aber nicht nur Bälle halten, Guardiola erwartet von ihm dass er auch mit dem Fuß Spielt und anspielbar bleibt; so wird er zum “elften Feldspieler” wenn die Mannschaft im Ballbesitz ist. Als Torwart ist er mehr technisch als ästhetisch.

Alves ist der Rechtsverteidiger. Besser gesagt, ihm gehört die ganze rechte Seite des Feldes… Wurde für mehr als 30 Millionen eingekauft und keiner diskutiert heute diese Investition. Hervorragende Leistung vom ersten Tag an. Sein Schwachpunkt: manchmal passt er nicht auf, was hinter seinem Rücken passiert. Mit der Zeit ist er aber diesbezüglich besser geworden. Ein unermüdlicher Spieler, läuft nach vorn und nach hinten, und wieder nach vorn… ist eine konstante Gefahr für den Gegner, ist immer dabei, wenn die Mannschaft angreift. Beachtliche Schussstärke, schießt gerne aus der Distanz.

Abidal ist der “defensive” Linksverteidiger. In der französischen Nationalelf spielt er als Innenverteidiger. Diese ist seine bisher beste Saison als Barça-Spieler. Kampfstark, schnell und sicher in der Verteidigung. Wenn er nach vorne geht, dann meistens um andere Spieler zu unterstützen. Kann nicht gut flanken, kann nicht dribbeln, trotzdem technisch OK. Hat noch nie ein Tor erzielt, ist aber auch nicht seine Aufgabe.

Puyol ist gerade auf einem sehr hohen Niveau, obwohl man erwartet hatte dass er dieses Jahr langsam Platz für neuere Generationen machen würde. Ein spektakulärer Innenverteidiger, schnell, eine Mauer in der Abwehr. Sein Schwachpunkt ist das Aufbauspiel nach vorne (etwas was Guardiola von seinen IV verlangt). Kein guter Passer, meistens läuft er mit dem Ball nach vorne und wartet das jemand ihm hilft.

Piqué ist der “Partner” von Puyol. Ein IV-Profil nach Guardiolas Geschmack. Groß, sachlich, sauber und, vor Allem, mit Qualität für das Aufbauspiel. Mit großer Verantwortung in diesem Bereich, hat sehr viel Ballkontakt. Kann Langpässe direkt zum Fuß eines Stürmers spielen. Er ist nicht Schnell, gleicht es aber mit seinem Stellungsspiel aus. Gelegentliche Konzentrationsfehler. Sehr Kopfballstark, oft Gefährlich bei Standardsituationen. Mag es selber nach vorne zu spielen, sein Spitzname ist “Piquembauer”.

Als defensiver Mittelfelder gibt es keinen klaren Startspieler. Zur Zeit scheint Busquets einen leichten Vorsprung auf Touré zu haben. Aus der eigenen Fußballschule, kam „Busi“ letztes Jahr auf Wunsch von Guardiola in die erste Mannschaft. Busquets kann den Ball schneller bewegen und scheut den Körpereinsatz nicht. Touré dagegen ist ein stärkerer Kopfballer und stabiler in der Abwehr.

Xavi und Iniesta sind unverzichtbar im Mittelfeld. Xavi ist gelassener, verliert den Ball nicht und ist der wahre Motor des Teams. Scheint das ganze Feld im Blick zu haben und wird mit den Jahren immer besser vorm Tor. Iniesta ist beweglicher, kann dribbeln und ist risikofreudiger. Ein spektakulärer Spieler. der trotzdem -seinen Zahlen nach- nicht so spielentscheidend aussieht. Xavi und Iniesta spielen vor allem um den Ballbesitz zu garantieren, Barça verteidigt MIT dem Ball. Nicht sehr stark in der Defensive, und wenn die gesamte Elf nicht wie eine Uhr funktioniert kann die gleichzeitige Aufstellung der beiden daher zum Problem werden.

Henry wird der wahrscheinlicher Starter als linker Stürmer, ist aber nicht mehr der Jüngste. Im letzten Sommer hat man versucht, einen jüngeren Konkurrenten für ihn einzukaufen. Möglicherweise die schwächste Position in der Elf. Startspieler wegen seines großen Namens, wurde diese Saison vom jungen Pedro -aus der eigenen Fußballschmiede- übertroffen. Dieser ist der bisher der einzige Spieler der Geschichte, der in sechs (!) verschiedenen Wettbewerben im selben Jahr hat treffen können, was ihm auch richtig Selbstvertrauen gegeben hat.

Eto’o ging, und ein ganz unterschiedlicher Mann kam: Ibrahimovic. Scheint noch nicht ganz im Spielfluß integriert zu sein. Hat einen super Saisonanfang gehabt, hat seitdem aber etwas nachgelassen. Ein Stürmer mit unbegrenzten technischen Möglichkeiten, liebt sich außerhalb des Strafraums zu bewegen um Ballkontakt zu haben. Er ist nicht ein Killer wie Eto’o, kann aber gut kombinieren, was Guardiola von seinem Mittelstürmer verlangt.

Und Messi ist der Star des Teams. Verschwindet nicht bei wichtigen Spielen. Dribbelt weniger als früher, Guardiola hat ihm eine effizientere Spielweise beigebracht. Seine Zahlen sind schwindelerregend. Macht viele Tore und legt auch viele auf. Spielt meistens rechts, hat aber Bewegungsfreiheit und geht auch gerne durch die Mitte. Hat früher mit Muskelverletzungen zu kämpfen gehabt, deswegen musste er sein Spielstil etwas verändern. Er ist nicht so explosiv wie früher, dafür aber ein “besserer” Spieler. Wird von der Fangemeinde geliebt, und ist der erste Mann aus der eigenen Fußballschule der den Goldenen Ball (Ballon d’Or) gewonnen hat.

Die einzigen Fragezeichen in der Startelf wären also Busquets/Touré und Henry/Pedro, etwas anderes wäre eine Überraschung. Vielleicht würde noch Keita in Frage kommen, den Guardiola gerne als starken und torgefährlichen Mittelfeldspieler einsetzt, um Iniesta für Henry als linken Stürmer zu platzieren.

Teil 1: Die Ära Guardiola
Teil 3: Der Blick auf die Bundesliga

Das Stuttgarter Mittelfeld

9 Okt

Zwei Wochen Länderspielpause. Auf der einen Seite: Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen als der trostlosen Szenerie, die der VfB im Moment bietet. Zum Beispiel könnte man für ne Weile auf Geschäftsreise in die USA gehen. Auf der anderen Seite: Zeit, sich einmal ungestört von tagesaktuellen Entwicklungen mit einer, wenn nicht der zentralen Problemzone des VfB zuzuwenden: dem Stuttgarter Mittelfeld.

Ich habe hier eine Spielsituation aus der Partie gegen Unirea Urziceni nachgezeichnet, die eines verdeutlichen soll: Wie wenige Anspielstationen bei Ballbesitz vorhanden sind, und wie schlecht nach hinten abgesichert wird.

unirea-stuttgart-skizze

Das Stuttgarter Mittelfeld (in rot) ist hier in einer Situation, in der Khedira (Nummer 1) gerade einen von Unirea aus der Abwehr gespielten Ball abfängt. Es reichen den Rumänen (hier in gelb) zwei defensive Spieler (nämlich Spieler 1 und 2), um Khedira noch genau eine Anspielstation zu lassen: Roberto Hilbert (4). Es gibt aber keinen Pass, der sofortigen Raumgewinn bringen würde, obwohl Platz durchaus vorhanden wäre  – die Raumaufteilung der Spieler in Gelb ist keineswegs optimal. Man müsste nur in den freien Raum kommen.

Unireas Spieler 3 kann letztlich den ballführenden Spieler angreifen und diesem, aufgrund dessen technischen Unzulänglichkeiten bei der Ballannahme, den Ball abnehmen.  Jetzt hat der VfB aber ein Problem, denn der zweite Sechser, Hitzlsperger (2), ist nicht nur nicht anspielbar. Er steht so, dass er Khedira defensiv nicht absichern kann. Letztendlich kommt der Ball zu Spieler 4, der völlig ungedeckt ist, nach vorne viel Platz hat und einen gefährlichen Konter einleiten kann.

Wohlgemerkt: Das hier ist eine Situation, in der der Gegner in der Vorwärtsbewegung ist, der VfB also nicht den Angriff aus der Abwehr heraus aufbauen muss. Der Gegner steht nicht dicht gestaffelt hinten drin. Tatsächlich reichen Unirea aber 3 Spieler, um den Gegenangriff zu verhindern.

Zu einem echten Problem wird das ganze immer dann, wenn der Gegner nur mit einer nominellen Spitze antritt und im Mittelfeld eine 5 gegen 4 Überzahl hat. Das war zum Beispiel in den Spielen gegen die Rangers, Köln und Unirea gut zu sehen. Ich zähle auch das Spiel gegen Bremen dazu, sind doch sowohl Hunt als auch Marin keine echten Spitzen, sondern kommen mehr aus dem Mittelfeld. In all diesen Spielen fehlten im Mittelfeld Anspielstationen, während man gleichzeitig nicht in der Lage ist, das Passspiel des Gegners zu unterbinden. Dass es nichts bringt, auf das im Moment beliebte 4-5-1/4-3-3 umzustellen, konnte man im Spiel gegen Hamburg sehen. Dem Team fehlte vorne die Durchschlagskraft.

Was könnte also Abhilfe schaffen?

Eine Möglichkeit wäre, in Spielen gegen solche Mannschaften wieder zur Raute zurückzukehren, um offensiv eine Anspielstation mehr zu haben und allein dadurch Druck auszuüben, dass ein Mann mehr gebraucht wird, um die Passwege des defensiven Mittelfeldspielers zuzustellen. Mit Elson, Simak, Bastürk und wohl auch Gebhart und Kuzmanovic haben wir außerdem Leute, die die Position des Zehners übernehmen können.

Eine weitere Möglichkeit kam mir beim Lesen dieses Artikels im Guardian über die Entwicklungen der Fußballtaktik in den Sinn:

But looking further ahead, there is also another player who has space, and that is one of the centre-backs. A single central striker is marked by one central defender, leaving the other one as a spare man. Of course that is useful defensively, but there is no reason why the extra player should only be useful defensively. After all, when 4–4–2 met 4–4–2 two central defenders picked up two centre-forwards and nobody worried about having additional cover (with the slight caveat that full-backs, without a wide player playing high against them, could drift inside to provide some cover). Why shouldn’t that extra defender stride forward into midfield as the likes of Franz Beckenbauer and Ruud Krol once did?

Da Unirea nur mit einer echten Spitze spielte, ist zumindest theoretisch einer der beiden Innenverteidiger ungebunden und könnte bei Ballbesitz eine offensivere Rolle – ähnlich dem früheren Libero – übernehmen. So könnte Tasci, der hierfür durchaus die Anlagen hat, das Mittelfeld bei Ballbesitz verstärken und dafür sorgen, dass auch bei Gegnern, die mit 5 Mittelfeldspielern agieren, genügend Anspielstationen vorhanden sind. Zur Absicherung würde die Dreierkette dann immer noch ausreichen. Auch die offensiven Außen des Gegners würden wahrscheinlich stärker als bisher defensiv gebunden werden, wodurch sie sich nicht mehr so leicht in die Offensive einschalten könnten. Das wiederum würde unsere anfälligen Außenverteidiger etwas entlasten. Van Gaals Bayern haben das in der ersten Halbzeit im Spiel gegen Hamurg vorgemacht, wenn auch noch etwas extremer, indem gleich komplett auf eine Dreierkette umgestellt wurde. Ich finde jedoch, dass man auf die Stärken des flachen 4-4-2 in der Defensive nicht verzichten muss und die beiden offensiven Außen und den Mittelstürmer weiterhin von einer Viererkette verteidigen lassen sollte.

Genau auf die von mir vorgeschlagene Art und Weise fiel das 1:0 gegen Unirea in der 5. Minute. Tasci blieb nach einer Standardsituation vorne und konnte als zusätzlicher Mann in die Lücke stoßen, die die beiden Stürmer gerissen hatten, indem sie Gegenspieler banden. Aber das war leider das einzige Mal in diesem Spiel, dass sich Tasci ernsthaft in das Spiel nach vorne einschaltete.

Egal ob mein Vorschlag letztlich praxistauglich ist oder nicht (und ich bin da sehr offen für Diskussionen), ändert sich dadurch jedoch nichts, dass der VfB taktisch wesentlich flexibler werden muss. Das strikte Festhalten am flachen 4-4-2 macht uns einerseits leicht ausrechenbar und beraubt uns andererseits der Möglichkeit, auf die Spielweise des Gegners wirklich zu reagieren. Dass man das 4-4-2 auf der anderen Seite nicht völlig verteufeln sollte, hat man im Spiel gegen Frankfurt, die im 4-4-2 mit Raute spielten, gesehen. In dieser Partie konnte die Mannschaft viel Druck, auch über Außen, erzeugen. Man hatte mehr Platz im Mittelfeld. Platz, der jedoch nicht da ist, wenn der Gegner im Mittelfeld in Überzahl ist. Platz, den Spieler wie Gebhart, Hilbert und auch Hleb aber dringend für ihr Spiel brauchen. Diesen Platz zu schaffen, muss im Moment das Hauptziel sein, denn die Laufbereitschaft in der Mannschaft scheint nicht groß genug zu sein, um auch bei Unterzahl im Mittelfeld das Spiel trotzdem über längere Zeit zu kontrollieren.