Archiv | September, 2012

Welcher Klub ist der Depp? – Ein Interview mit den Clubfans United

28 Sept

Hallo, ich bin es. Der Blogautor. Die Älteren unter Ihnen werden sich vielleicht noch erinnern. In den letzten Wochen und Monaten hat es etwas an der Motivation gefühlt mich Blog-Ebene mit dem auseinandersetzen, was derzeit rund um den Verein so passiert. Alleine schon, weil ich im Zweifelsfalle eh wieder den selben Scheiss schreiben würde, den ich vor einem, vor zwei, vor drei Jahren hier geschrieben habe.
Neben meinem fleissig (manche würden sagen: spam-artig) befüllten Twitteraccount habe ich mich allerdings zuletzt auch in zwei Podcasts bei Sportradio360 und bei den Bremer Kollegen von gruenweiss.org meine Meinungen zur Situation des VfB breitgetreten. Allerdings noch eher verhalten.

Nun steht nach dem (wieder mal) schlechtesten Saisonstart aller Zeiten direkt das nächste Duell an, diesmal mit dem 1. FC Nürnberg zur Abwechslung ein Gegner, der das Spieler vorher auch verloren hat. Über diese Begegnung zweier leicht bis stark kriselnder Teams habe ich mich im Vorfeld der Begegnung mit Alex von den Clubfans United unterhalten.

Alex‘ Fragen an mich und meine Antworten kann hier nachlesen, wer mag.

 

Nach einem überraschend starken Auftakt mit u.a. dem respektablen Unentschieden gegen den Meister aus Dortmund schien mir der FCN auf einem ziemlich guten Weg zu sein. Am vierten Spieltag ging ich entsprechend davon aus, dass man im Duell der Überraschungsteams mit Frankfurt die Nase vorn haben würde. Allerdings folgten dann zuletzt zwei Niederlagen gegen die Eintracht und gegen das zuletzt gegen Hoffenheim unterlegene Hannover. Was ist passiert, dass der positive Schwung auf einmal weg zu sein scheint?

Darauf gibt es eine klare Antwort: „Wir haben keine Ahnung!“ – Frankfurt war eigentlich noch ein ganz flottes Spiel, das man nicht verlieren hätte müssen, aber Hannover war ein kollektiver Blackout, den man so lange nicht gesehen hat. Hätte Hannover jetzt noch guten Fußball gespielt, wäre es wahrscheinlich richtig bitter geworden, so begnügten sie sich mit den Geschenken. Klar wusste man, dass es für Teams wie den Club mal Höhen und Tiefen geben würde, aber das war so schon heftig. Bleibt zu hoffen, dass ein Ausschlag nach oben ebenso überraschend möglich ist – oder wenigstens die Rückkehr zur Normalität.

Insgesamt scheint aus dem 1. FC Nürnberg in den letzten zwei Jahren ein sehr solider Mittelfeldklub geworden zu sein mit den Platzierungen 6 und 10. Oft gelobt wird dabei die für Club-Verhältnisse (wenn man mal an frühere Zeiten denkt) doch recht ruhige und sachliche Führung für die in erster Linie nach Aussen hin Martin Bader und natürlich Trainer Dieter Hecking stehen. Wie bewertest Du Hecking als Trainer?

Hecking passt derzeit einfach perfekt zur Philosophie des Vereins. Er hat die Vorgaben der Jobbeschreibung verinnerlicht und ist als Trainer in der Lage deren Umsetzung zu betreiben. Hecking pflegt den Pragmatismus, verwehrt sich stoisch gegen übertriebene Lobhudeleien wie auch fränkischen Pessimismus, und hat am Ende jeder Saison bisher immer mit (fast) allem Recht gehabt. Das macht ihn für Nürnberg derzeit so wertvoll. Martin Bader ist dagegen der Spiritus rector des Gesamtkonstrukts. Seit er in Nürnberg ankam verfolgte er seine Idee konsequent und mit kleinen, aber beharrlichen Schritten. Auch vor dem Hintergrund der Club-Geschichte mit grandiosen Aufs und Abs und schon mehrfach am Rande des Abgrunds balancierend, hat Bader den Weg der Konsolidierung eingeschlagen. Wesentliche Bausteine sind: Entschuldung, Verbesserung der Infrastruktur, Investition in die Jugend. Seine weiteren Pläne: Stadionneu- oder –umbau, Verbesserung bei Vermarktung und Sponsoring, langfristige Etablierung in der Liga und Verbreiterung der Basis (Mitglieder und Fans). Dass der Weg bis hierher gut gelang, lag vor allem an den Ergebnissen unter Hecking und dem stetigen Klassenerhalt. Ob der Weg so konstant weiter gehen kann, das muss der sportliche Erfolg (sprich: Klassenerhalt) sichern.

Denkst Du, dass Hecking auch bei einem „größeren“ Verein, also einem mit höheren Ambitionen, funktionieren kann?

Eine gar nicht so einfache hypothetische Frage. Hecking hat gezeigt, dass er eine Mannschaft stabilisieren, dass er junge Spieler entwickeln und mit begrenzten Mitteln viel erreichen kann. Der ganz große Wurf gelang ihm aber auch in Nürnberg noch nicht, obwohl man manchmal fast schon dran schnupperte. Immer wieder fällt die Mannschaft dann in ein Loch, wenn etwas zum Greifen nah scheint. Kurzum: Es wäre sicher interessant herauszubekommen, ob das (auch) an Hecking liegt, oder ob er schlicht mit dem vorhandenen Material schon das maximale herausholte. Gern würden wir das mit dem FCN herausfinden, wenn die Mannschaft tatsächlich mit Spielern wie Kiyotake langfristig verstärkt und ergänzt werden kann. Aber in Nürnberg hat man schon mal einem soliden Trainer den Laufpass gegeben, weil man meinte, er wäre nicht der richtige für höhere Ambitionen: Willi Entenmann. Nach seiner Entlassung stieg man dann übrigens ab.

Martin Bader hatten wir schon kurz angesprochen. Er scheint aus der früheren Primadonna einen recht nüchternen Verein gemacht zu haben. Nervt es als Fan nicht ein wenig, dass aus finanziellen Zwängen Jahr für Jahr wichtige Spieler nur geliehen werden und sich so keine wirkliche Identität bilden kann? Oder gilt hier „Der Erfolg heiligt die Mittel“?

Die Sache mit den Leihen ist (bis auf Polter) ja nun bereits Geschichte. Aber selbst wenn, dann heiligt der Erfolg durchaus das Mittel: Wenn du eben nicht genug Geld hast, um dir die Qualität zu kaufen, dann musst du sie entweder selbst schaffen (Jugendarbeit, was Zeit braucht) oder Leihen. Und wohin der FCN will ist offensichtlich, bis dahin sind Leihen ein probates Mittel, denn ohne Qualität reicht es eben nicht und mit ständigen Abstiegen kommt man nie aus dem Kreislauf raus. Schwierig ist es eher für den Fan, jedoch weniger wegen fehlender Identifizierung mit dem Verein (da war auch Didavi und Schieber untadelig!), sondern weil man das schale Gefühl hat für andere Vereine Werte aufzubauen, ohne davon zu profitieren, was natürlich so nicht stimmt (siehe: Erfolg der letzten Jahre). Die breite Masse der Fans trägt den Kurs Martin Baders bedingungslos mit, auch weil wir wissen, woher wir kommen. Dass vor allem die Zwischenhochs Begehrlichkeiten wecken, die dann zu Enttäuschungen führen, das gehört nun mal dazu.

Mit Timo Gebhart habt Ihr in diesem Sommer einen Spieler von uns geholt, der stets großes Potential angedeutet hatte, aber es bei ihm aus unterschiedlichen Gründen nicht zum Durchbruch reichte. Nun sitzt er auch bei Euch wieder nur auf der Bank. Liegt das nur am bockstarken Auftreten des anderen Neuzugang Kiyotake oder wie macht sich Gebhart bisher?

Timo Gebhart ist für mich ein sehr guter Transfer gewesen. Dass es mit ihm nicht einfach werden würde, war aber auch klar. Aber sonst hättet ihr ihn auch kaum abgegeben oder andere Vereine zugegriffen. Wir müssen solche Transfers machen, gerade wenn nicht sicher ist, ob der Spieler den nächsten Schritt machen kann (wie Esswein, wie Okotie, wie Mak). Das ist unser Revier. Manchmal hat man damit Erfolg (Chandler, Wollscheid), manchmal muss man eingestehen, dass es nicht klappt (Okotie), eine Alternative zum Versuch gibt es aber nicht für uns. Um Gebhart einzuschätzen muss man seine Geschichte kennen: Riesentalent, Highflyer, international gespielt, dann plötzlich macht der Körper zicken und der Trainer lässt ihn fallen – was muss das für einen Spieler für ein Schlag ins Kontor Selbstvertrauen gewesen sein. Hecking ist aber der richtige Trainer für ihn. Wie auch bei Esswein wird Gebhart behutsam gefördert und gefordert, solange bis er wieder an dem Punkt sein wird, an dem er schon mal war: Auf dem Sprung nach ganz oben. Ob er es dann schafft, das entscheidet der Spieler dann ganz allein durch seine Leistung und in seinem Kopf.

Gibt es Spieler außer Kiyotake auf die der VfB am kommenden Wochenende besonders achten sollte? Wer spielt sich bislang bei Euch noch so in den Vordergrund?

Nach Hannover sind wir gar nicht mehr so sicher, ob wir überhaupt jemanden im Vordergrund haben. Aber Frust mal beiseite: Kiyotake kann sicher allein durch seine Standards ein Spiel entscheiden – und auf diese Standards und unsere Kopfball-starken Leute, die auch aus Mittelfeld und Innenverteidigung da mit rein gehen, wird sicher zu achten sein. Mak und Esswein haben schon mehrfach angedeutet, dass sie einer Mannschaft „weh tun“ können, aber sind auch genau so oft den Nachweis schuldig geblieben, es konstant anbieten zu können.

Wo im Kader besteht am ehesten ein Problem für Euch? Ein bisschen habe ich aus der Distanz den Eindruck, dass die Sturmspitze mit Pekhart und Polter nicht die unbedingte Torgefahr ausstrahlt, auch wenn die bisherige Ausbeute der Saison durchaus okay ist.

Unser Spiel ist darauf angelegt, dass ein Pekhart/Polter vorne arbeitet und Räume schafft, die dann die offensive Dreierreihe dahinter nutzen können. Entweder um den Abschluss zu suchen, aufzulegen oder Standards zu provozieren, die dann immer für Gefahr sorgen. Wenn allerdings aus dem Mittelfeld nichts kommt, ist der Stoßstürmer vorne die „ärmste Sau“ am Platz. Unser „größtes Problem“ sehe ich derzeit aber wo anders: Dem Spielaufbau. Die neuformierte Defensive ist zu wacklig, um die Offensive unterstützen zu können. Immer wieder sorgen böse Fehlpässe für heikle Situationen und wenn sich mal ein Außenverteidiger nach vorne einschaltet, brennt hinten nach Ballverlust der Baum. Simons und Balitsch als 6er sind auch nicht gerade die Strategen für Angriffstaktiken, so dass man immer zwar stets bemüht aber doch ratlos wirkt, wenn der Gegner die offensive Dreierkette aus dem Spiel nimmt und selbst wenig Fehler macht. Bisher half da meist dann nur ein Standard, oder es ging eben gehörig in die Hose.

Wohin wird es für den FCN in dieser Saison noch gehen? Ist vielleicht sogar mal ein Angriff auf Platz 6 möglich, wenn alles gut zusammenläuft?

Wir hatten allein in der Saison schon gefühlt die Hand an der Schale und sind in der Gemütslage derzeit fast schon wieder abgestiegen. Vielleicht ist das aber auch normale Fan-Mentalität. Aber davon ganz unbeeindruckt ist ein Mittelfeldplatz Ziel und Anspruch, ob dann Platz 9 oder 13. Für alles andere muss es schon extrem gut laufen (oder schlecht) – und dann spielen da ja auch noch 17 andere Vereine mit.

Zu guter Letzt die obligatorische Frage: Wie lautet Dein Tipp fürs Spiel?

3:1 für den Club. Weil man endlich wieder ein Heimspiel gewinnen muss und der VfB der richtige Gegner sein könnte. Alles andere ist aber auch denkbar. Man kann beide Teams überhaupt nicht einschätzen wie sie mit der Situation umgehen. Vieles wird vom Spielverlauf abhängen, von Kleinigkeiten wie einem frühen Fehlpass, einer verpassten Chance, einer erlittenen Ungerechtigkeit, wie bspw. im Spiel gegen Frankfurt, die einem kurz die Konzentration raubt. Es spielen 11 Menschen gegeneinander – das sollte man nie vergessen – da kann im Prinzip alles passieren, wenn ein Ball im Spiel ist. Und am Montag biste dann plötzlich wieder der gefeierte Held, weil man plötzlich wieder oben anklopft oder – in eurem Fall – den Sprung ins Mittelfeld schaffte. Und dann erinnert sich in ein paar Wochen keiner mehr daran, warum man vor dem Spiel damals eigentlich alles so oder so eingeschätzt hatte.

Vielen Dank für das Interview, Alex und auf ein gutes Spiel!