Der folgende Text ist im Rahmen unserer kleinen Kooperation mit dem FC Barcelona-Blog „Diario Yoya“ gestern dort veröffentlicht worden. Dementsprechend seid ihr als Leser nicht unbedingt die Zielgruppe dieses Artikels, aber der Vollständigkeit halber möchte ich den Artikel zumindest auch noch hier veröffentlichen. Konstruktive Kritik kann natürlich jederzeit gerne abgegeben werden, sehr gerne auch, wenn ihr denkt, die Barca-Fans sollten das wissen, unter dem Originaleintrag. Kommentare dort auf Englisch, Deutsch, Catalan oder Spanisch möglich. =)
Erwähnt werden sollte vielleicht noch, dass der Text (wie auch sämtliche anderen dieser Serie) vor dem letzten Woche und ergo vor dem HSV-Spiel (bzw. dem Spiel von Barca gegen Atletico). Hilft vielleicht an gewissen Stellen bei der Einordnung…
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Ich glaube, ich könnte niemals Fan des FC Barcelona sein. Das wäre mir viel zu langweilig.
Ich mein, was ist das denn für ein Fan-Dasein, wenn man der besten Mannschaft der Welt die Daumen drückt? Man braucht Misserfolge, um die Erfolge wirklich wertschätzen zu können. Aber ihr? Eure Mannschaft gewinnt doch ohnehin quasi alles, da nimmt man halt den nächsten Titel einfach so mit.
Da bin ich doch wesentlich lieber der Fan eines kleinen bescheidenen Fußballvereins aus der süddeutschen Provinz. Zugegeben, wir haben nicht wie ihr die besten, tollsten und teuersten Fußballspieler, wenn man nach qualitativen, objektiven Kriterien geht. Aber, wenn sie ein weißes Trikot mit rotem Brustring tragen (unser Markenzeichen), dann sind sie trotzdem die geilsten Spieler der Welt – eben weil sie unsere sind.
Aber gut, letzteres wird vermutlich jeder Fan über die Spieler seines Vereins sagen.
Nichtsdestotrotz, ich schätze es auf jeden Fall, Fan eines Vereins zu sein, der eben auch mal die Tiefen durchlebt. In den letzten zehn Jahren war beispielsweise alles dabei in der heimischen Bundesliga, von Abstiegskampf über belangloses Mittelfeld bis hin zum Meistertitel. Die Platzierungen seit 2001: 15 – 8 – 2 – 4 – 5 – 9 – 1 – 6 – 3
Natürlich, das ist nicht immer nur Zuckerschlecken und trieb uns Fans auch in den letzten Jahren immer mal wieder gerne zur Verzweiflung. Vor allem, wenn man nach sehr starken Jahren, danach erst einmal komplett einbrach, wie es in den letzten zwei Jahren nach der Meisterschaft 2007 wieder der Fall war – und besonders extrem wieder in der Hinrunde dieser Saison.
Denn der VfB hat in den vergangenen Jahren eine besondere Leidenschaft dafür entwickelt die Hinrunde grundsätzlich eher in den Sand zu setzen, so dass die Platzierungen unter der Saison zuletzt oft im Hinterfeld der Tabelle waren. Das hatte dann auch die Auswirkung, dass in den letzten Jahren verhältnismäßig häufig die Trainer ausgetauscht worden sind: Christian Gross (jetzt), Markus Babbel, Armin Veh, Giovanni Trappatoni und Matthias Sammer – 5 Trainer in den letzten 5 Jahren. Und das obwohl man in dieser Zeit im Grunde der dritterfolgreichste Verein der Bundesliga hinter Bayern München und Werder Bremen war. Das Problem aber sind eben die schrecklichen Schwankungen, die auch diese Saison wieder einem Trainer den Kopf gekostet haben:
Nachdem Markus Babbel im Herbst 2008 nach einer bis dahin schwachen Rückrunde Armin Veh (der noch 2007 den Meistertitel holte) abgelöst hatte, startete er anschließende eine herausragende Erfolgsserie, die von Platz 11 bis hoch auf Platz 3 führte und anschließend sogar die Champions League Qualifikation brachte.
Doch blöderweise hatte der junge Babbel leider keine offizielle Trainerlizenz und da wir in Deutschland sind, wo alles seine Ordnung haben muss, wurde er dazu verpflichtet ab dem Sommer 09 eine Ausbildung zu machen, die ihn dazu zwang jede Woche mehrere Tag in Köln bei einem Trainerlehrgang zu verbringen.
Dadurch hatte Babbel die Mannschaft leider nicht mehr richtig im Griff und wie es halt so ist, verselbständigte sich eine negative Dynamik innerhalb des Teams immer mehr und führte dazu, dass man im Dezember sogar auf einem Abstiegsplatz in der Tabelle stand und die Vereinsführung sich nach langem Zögern und vorherigen Treuebekenntnissen dazu entschied, den eigentlich bei uns Fans beliebten Babbel rauszuschmeissen und durch den Schweizer Christian Gross zu ersetzen.
Während Babbel eher der Kumpeltyp war (er spielte bis 2007 noch selbst für den VfB und wurde anschließend Co-Trainer unter Veh), ist Gross der Gegenentwurf, Kategorie General. Spieler werden von ihm gesiezt und Disziplin nimmt insgesamt einen sehr hohen Stellenwert ein.
Seit dem Trainerwechsel zu Gross gab es lediglich ein Unentschieden im ersten Bundesligaspiel und danach 5 Siege in Folge, u.a. gegen durchaus etablierte Mannschaften, wie Meister VfL Wolfsburg oder der zum damaligen Zeitpunkt in 13 Pflichtspielen ungeschlagenen Borussia Dortmund.
Der Fußball an sich hat sich trotz all der Trainerwechsel dabei vom Prinzip her nicht großartig geändert. Eine große Stärke des VfB war es in den letzten Jahren eigentlich immer, schnell umzuschalten und den Gegner bei Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung zu überraschen und mit schnellem Passspiel das Mittelfeld zu überbrücken und so Gefahr vor dem gegnerischen Tor zu erzeugen. Im Grunde eine Art moderne Kontermannschaft.
Gross hat seit seiner Übernahme vor allem Wert darauf gelegt, dass man schnelle Spieler mit Zug zum Tor im Mittelfeld hat – etwas was der Kader derzeit leider nur bedingt hergibt.
Ein weiteres Markenzeichen für den VfB ist es in den letzten Jahren geworden, vermehrt auf den eigenen Nachwuchs zu bauen. Es gelang doch relativ häufig Spieler aus der eigenen Jugend relativ groß herauszubringen und in der Profimannschaft zu etablieren. Derzeit sind das zwar nur zwei Spieler (Tasci und Khedira), aber in der Hinterhand gibt es momentan wieder mehrere Spieler, die das Potential haben den Sprung zu schaffen und auch teilweise schon regelmäßige Einsätze bekommen haben. Zudem besteht der Kader insgesamt aus sehr vielen noch jungen und entwicklungsfähigen Spielern, von denen niemand älter als 29 Jahre ist – lediglich Jens Lehmann fällt mit 40 Jahren „etwas“ aus dem Rahmen.
Zuletzt hat sich zudem auch ein relativ festes Spielsystem etabliert, das bis auf wenige Ausnahmen konsequent in den letzten Monaten gespielt wurde: Ein 4-4-2 mit Doppelsechs im Mittelfeld.
Grafisch sieht das derzeit in der Regel wie folgt aus, in Klammern befinden sich mögliche Alternativen für das Spiel gegen Euch:
——————————Lehmann————————–
——–Celozzi—-Tasci—–Niedermeier—-Molinaro—-
(Delpierre)
——————-Träsch———-Khedira——————–
———Gebhart——————————–Hleb———-
(Hilbert) (Hilbert)
————-Pogrebnyak————Marica——————-
Wie gesagt, das ist die Stammformation der vergangenen Wochen gewesen, allerdings wird in Fankreisen durchaus vermutet, dass Gross für die Spiele gegen Barcelona auf ein 4-5-1 umstellen könnte, was dann wiederum verschieden gestaffelt sein könnte.
In der Bundesligapartie gegen Nürnberg wurde dieses System schon mal testweise ausprobiert, nachdem Gross in der 50. Minute Marica auswechselte und dafür einen Mittelfeldspieler mit Kuzmanovic einwechselte. Nicht ausgeschlossen, dass dies schon ein Testlauf für die Champions League war.
Das System sah dann teilweise ungefähr so aus:
——————————Lehmann————————–
——–Celozzi—-Tasci—–Niedermeier—-Molinaro—-
(Delpierre)
——————Träsch———-Kuzmanovic—————-
———Gebhart———–Khedira————Hleb———-
(Hilbert) (Hilbert)
————————–Pogrebnyak—————————
Wobei allerdings die Mittelfeldstruktur je nach Spielsituation auch durchaus variierte und es manchmal insgesamt mehr nach einem 4-1-4-1 aussah, weil vor allem Träsch gerne mal nach vorne in die Zentrale neben Khedira rückte.
Ich persönlich hoffe, dass wir auch gegen Barcelona im 4-4-2 antreten, da dies unser Stammsystem ist und es ein falsches Zeichen wäre, das System umzustellen, nur weil ihr angeblich die beste Mannschaft der Welt seid. Aber ich bin halt nicht der Trainer.
Prunkstück der Mannschaft ist auf jeden Fall die Zentrale mit dem sehr gut bestückten defensiven Mittelfeld und der Innenverteidigung (wobei Tasci gerne mal Formschwankungen unterlegen ist). Kritisch sind defensiv besonders die Außenpositionen und dort vor allem die rechte Seite mit Celozzi und Gebhart/Hilbert – hier wird vermutlich die Stelle sein, über die offensiv für Barca am meisten gehen dürfte. Dazu aber in einem separaten Eintrag mehr, in dem ich nochmal einzeln auf alle Spieler eingehe.
Zu guter Letzt interessiert Euch sicherlich noch, was ich nun überhaupt vom Duell zwischen dem momentan Tabellenzehnten der Bundesliga und dem überlegenen Tabellenführer der Primera Division erwarte.
Ganz klar, Ihr seid der absolute Favorit. Aber Fußball wäre eben nicht Fußball, wenn es nichtsdestotrotz möglich wäre, dass wir Euch schlagen könnten. Ich mein, Rubin Kazan ist mit Sicherheit nicht wirklich besser als wir. Und gegen den FC Sevilla, der Euch aus der Copa del Rey geworfen hat, haben wir im Hinspiel (als es bei uns richtig scheisse lief) nur unglücklich 3:1 verloren und in Sevilla dann immerhin ein 1:1 geholt.
Wobei natürlich auch klar ist, dass ein bisschen „Entgegenkommen“ seitens Eures Teams dabei sein muss. Denn eine realistische Chance werden wir gegen die individuelle Klasse vieler Eurer Spieler wohl nur dann haben, wenn Barca das Hinspiel mit einer gewissen Überheblichkeit angegangen wird und die vielen Weltstars uns nicht richtig ernst nehmen. Mit dem eigenen Publikum im Rücken (auch wenn derzeit aufgrund eines Umbaus eine komplette Kurve im Stadion fehlt – nicht wundern!) kann dann ein Heimsieg durchaus möglich sein – und dann würde ich sehr gerne sehen, wie sich Barcelona im Rückspiel schlagen wird.
Gemeinhin wird allerdings natürlich eine desaströse Niederlage vom VfB erwartet gegen Euch, sowohl von der deutschen Öffentlichkeit, als auch teilweise von den Pessimisten unter den Fans.
So gesehen haben wir also kaum etwas zu verlieren…
Barcelona-Fan ist man nicht möglicher Titel wegen, sondern aus Überzeugung und Anhänger der Philosophie 😉
Außerdem ist die Beziehung Barca – Real Madrid eine ganz besondere, und irgendwie peppt so eine Hass-Beziehung das Fan-Sein zusätzlich auf.
Ich bin Arminia Bielefeld Fan, da ich dort lebe und geboren wurde, aber wenn Barca gegen Real spielt, dann fiebere ich mehr mit als bei jedem anderen Spiel von Arminia. Und da ist es egal, ob Barca schon Meister ist oder meilenweit abgeschlagen ist, es ist einfach etwas besonderes. Solche Matches, die unabhängig von der Tabellensituation einen so elektrisieren, gibt es bei Arminia (für mich) leider nicht.
Gibt’s da was Vergleichbares als Stuttgart-Fan (das Spiel sollte auch recht regelmäßig stattfinden)?
Nuja, mein Intro war natürlich auch nicht so ganz ernst gemeint. War halt der Versuch ein bisschen die Leute auf „nette“ Art zu provozieren, um ein paar Reaktionen zu bekommen.
Natürlich könnte man beispielsweise als Bielefeld-Fan auch wieder sagen, was willst Du VfB-Fan eigentlich. Kämpft so gut wie nie gegen den Abstieg, werdet regelmäßig Meister und dürft ab und an in der CL oder EL unterwegs sein – da ist das Leben als Bielefeld-Fan doch viel „echter“. Was ja auch wiederum korrekt wäre, ist halt alles eine Frage der Perspektive.
Zwar finden die Spiele nicht ganz so regelmäßig statt, aber doch immerhin alle paar Jahre: Die Duelle mit dem KSC sind natürlich schon klassische, sehr intensive Derby-Spiele, mit doch sehr traditionell verfeindeten Fangruppen (Schwaben vs. Badenser).
„Die Duelle mit dem KSC sind natürlich schon klassische, sehr intensive Derby-Spiele“ — wenn ich es richtig verstanden habe, meinte Helge bei den Duellen Spiele unserer ERSTEN Mannschaft. Da würde ich sagen: VfB – Bayern.
lol
Naja, gegen den KSC haben wir in den letzten Jahren ja schon halbwegs regelmäßig gespielt. Und es ist in meinen Augen schon etwas besonderes – weil es auch für den Gegner bzw. die gegnerischen Fans ein spezielles Duell ist.
Bei den Spielen gegen Bayern ist das mE schon etwas anderes. Klar sind auch das immer wieder heisse Duelle und man kann die Bauern nun wirklich nicht viel besser leiden, als die Gelbfüßler – aber es ist doch schon so, dass für so ziemlich jede Bundesligamannschaft die beiden Spiele gegen die Bayern besondere Spiele sind. Und zudem bin ich mir nicht sicher, ob eben die Bazi-Fans uns genauso „verachten“ wie wir sie. =)