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Bobic raus!?

24 Sept

Die Katastrophensaison steckt noch in allen Knochen und steigt wieder an die Oberfläche – so wirkt es, betrachtet man die Entwicklung in den ersten Wochen der Saison 2014/15. Ein Déjà-vu, gegen das in vielen Bereichen vorgegangen wurde, um es tunlichst zu vermeiden.

Wie die Süddeutsche titelte, hängt jetzt wohl alles vom ehemaligen Meistertrainer ab, der auch von den Fans ausdrücklich ausgenommen wird bei ihrem offenen Brief und der im Sommer für viel Euphorie rund um den Cannstatter Wasen gesorgt hat. Ein Trainer, der in Frankfurt, in Stuttgart und Augsburg gezeigt hat, was er kann. In Hamburg beendete er von sich aus, wohl aus Gründen, die bis heute nicht gelöst sind und in Wolfsburg stolperte er über sein zu großes Selbstvertrauen (Augsburgern darf man das nachsehen:)). Das Anbandeln mit Schalke nach seinem Engagement in Frankfurt und der plötzliche Schwenk irritierte zwar etwas, aber als VfB-Fan nimmt man das gelassen hin, es wirkte fast wie die Heimkehr des verlorenen Sohns, der nun auf allen Ebenen den Verein zu alter Stärke führen würde.

Der Kader gestaltete der Trainer mit, die Sturmmisere (außer Ibisevic nicht viel und momentan garnicht) konnte aber nicht beendet werden, auch missfällt der ständige Einsatz seines Lieblingsspielers Oriol Romeu, der Gruezo (und den ich sehr schätzte) verdrängte. Damit einher ging das einstudierte Spielsystem mit einer Doppelsechs, welches wieder Gentner daran hindert, offensiv aufzutreten. Laut Nachfrage spielt der „Wunschspieler“ Kostic nur wenig, da für ihn das System gewechselt werden müsse. Warum nicht Gruezo wieder als Abräumer auftreten lassen, damit befreit es Gentner von vielen Defensivaufgaben und ermöglicht wiederum Didavi neue Möglichkeiten nach vorne.

Es ist nicht wahr, dass der VfB nur Mittelmaß biete und keine Talente aufbiete:

Rüdiger, Werner, Ulreich (lern doch bitte endlich mitspielen), Leitner, Gruezo, Romeu, Ginzcek, all das sind entwicklungsfähige Spieler, die noch Potenzial haben.Und Hlousek, dies bestätigte mir ein Club-Insider, ist ein Hammerspieler, wenn nur sein Körper mitmache (was einfach bitter ist). Im Team spielen ansonsten gestandene BuLi-Spieler, ein Ibisevic ist jedes Jahr für 10-12 Tore gut, ein Harnik ist ein Fighter, bei der Kaderbildung sehe ich nicht schwarz. Ausnahme mache ich bei unseren Außen, dies passt seit Jahren nicht (wobei Magnin 2007 auch nicht der Oberknaller war) und es wird nicht viel getan, Klein bisher passabel-schüchtern, Rausch/Sakai keine langfristige Lösung.

Zur Person Bobic, die viel Kritik einstecken muss und darf man den Zeitungen glauben, nach dem BVB-Spiel heute entlassen wird. Ich tue mich immer schwer, seine Arbeit von außen zu beobachten, die Lösung mit Schneider als Trainer klang für mich sehr ansprechend und hätte auch getragen, wäre nicht dieses letzte Viertelstundepeck hinzugekommen, was sich verselbstständigte. Leider vergraulte er wohl aber auch im Nachwuchsbereich tolle Trainer (wenn man bedenkt, dass ein Kienle ebenfalls als Co von Jogi im Gespräch war) und hatte die Aufgabe, den Kader finanziell zu verkleinern.

Das jetzt ist sein Kader, und ja, auch Schieber und Okazaki holte er zum VfB, die Torjäger der frischen Saison, also ihm vorzuwerfen, da sei alles schlecht, sehe ich nicht ein, wobei der aktuelle Kader nicht nur Perlen bietet. Zudem – hier sei an ihn als Spieler erinnert – zeigt er sich nicht immer diplomatisch geschickt und hatte sich mit seinem Balakov-Planspiel einen ziemlichen Bock erlaubt, das verzeiht ein Fan wenig. Da der Meistertrainer als sakrosankt gilt (und dem Fan wirklich ein gutes Gefühl gibt), ist der zweitschwächste in der Kette der Manager, ein Präsident Wahler muss jetzt wohl zeigen, dass er auch den harten Mann markieren kann, markige Worte (Z.B. Kurayni) sind ja bereits gefallen, Taten?

Aber auch fällt es wieder schwierig, die Außensicht zu verallgemeinern und damit auf alles zu schließen.

App-es Neues

21 Sept

Der „Mein-VfB“-App war der erste App, für den ich Geld gezahlt habe.
Ja, wahrscheinlich gehöre ich auch zu den Personen, laut Studie, bei denen, wenn sie ein Applezeichen sehen, dieselbe Gehirnregion aufleuchtet, die bei anderen Menschen den Bereich der Gläubigkeit markiert. Da fand ich es echt eine tolle Idee von den Stuttgarter Zeitungen, einen VfB-App zu kreieren, den ich nun besitze. App-solut app-gefahrene Idee!
Und der App lohnt sich. Ich kann täglich die Sportseiten der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten einsehen, darüber hinaus habe ich noch einen Live-Ticker und weitere Daten (Kader, Stadion, Verein) zu meinem Lieblingsverein.
Aber bisher gibt es noch Dinge, die mich stören (ja, da kann ich meine tauberfränkische Herkunft nicht verleugnen).
Aus technischer Sicht dauert es im Smartphonezeitalter eine Ewigkeit, bis der App geladen ist. Teilweise finden sich tagelang keine neuen Bericht. Dann sind sie verschoben oder falsch dargestellt. Hier sollte unbedingt noch an der Übertragung und der Darstellung gearbeitet werden, ansonsten wird diese Warterei zu eine nervigen Angelegenheit.
Wenn man täglich die Berichte – und eine Zeitung ist ja dazu angehalten, in ihrem Sportteil täglich über den Lokalverein zu berichten – über den VfB liest, stellt man Muster fest, die etwas opportunistisch riechen: Die vermeintliche Krise wie der vermeintliche Aufschwung werden medial von den Sportredaktionen befeuert, ohne dass ein eigener Standpunkt klar markiert wird. Beispielsweise wurde nach dem ersten Spieltag von der StZ schon fast wieder alles in den Himmel gelobt, während nach der Niederlage gegen Hertha alte Schreckensbilder an die Wand gemalt wurden und Berichte verfasst werden, inwieweit die Vorsaison sich wiederhole.
Ein ständiges Auf und Ab, das durch jedes Ergebnis neu angefacht wurde, egal, ob die Richtung jetzt nach unten oder nach oben zeigte. Dadurch werden diese Berichte beliebig. Klar ist festzuhalten, dass ein Redakteur täglich ein Bericht rund um den VfB verfassen muss, aber dabei immer nur nach dem berühmten Fähnlein im Wind zu wehen, ist doch etwas zu einfach. Und die ewige Mär von dem Bauen auf die Jugend, so wie es die StZ gebetsmühlenartig vorbringt, ist mir zu kurz gedacht, jedes Interview zielt auf die Lippenbekenntnisse für die Jugend, bringt aber keinen Standpunkt mehr in eigener Sache. Schlägt man die Süddeutsche wiederum auf, ist man happy über die gelieferte Hintergrundinfo, hier wurde ich beispielsweise über Lenos Zukunftspläne deutlich besser informiert als in der StZ. Fredi Bobic sei in einer Zwickmühle gefangen, die ihm in dieser Torwartfrage praktisch nachts kein Auge mehr zumachen lasse, während die SZ lapidar feststellte, dass Leno ab 1. Januar wieder beim VfB sei und Bayer überhaupt nicht jeden Tag um ihn buhle.
Alles in allem würde ich mir mehr Gedankengänge bei der StZ wünschen, inhaltlich wie in technischer Hinsicht. Ansonsten kann ich den VfB-App nur empfehlen.
Und bevor ich mich jetzt noch über den leserunfreundlichen Kicker-App aufrege, ende ich hier lieber mit meinem fränkischen Ton;)

Deutschlands „Sturmproblem“

10 Aug

Zum ersten Mal geht es in diesem Blog heute um ein Thema, das nicht explizit VfB-bezogen ist. Schließlich wollen wir hier ja auch durchaus den Blick mal auf Angelegenheiten des Fußballs allgemein werfen.

Anlaß ist in diesem Fall ein Artikel der heute auf der von mir eigentlich relativ geschätzten Seite http://www.spox.com erschienen ist und mich zugegebenermaßen etwas sauer gemacht hat. Denn wenn es eines gibt, was ich wirklich hasse, dann ist des Panikmache, die auf fadenscheinigen „Argumenten“ basiert, die sich bei genauerem Hinsehen aber als falsch entpuppen – etwas was man ursprünglich vor allem aus den Boulevardmedien kennt, aber mittlerweile eigentlich beinahe überall anzutreffen ist.

Kommen wir aber nun zum konkreten Corpus Delicti, dass Anlass für meinen Ärger ist: „Deutschland hat ein Sturmproblem: Die große Leere“ nennt sich der besagte Artikel, der auf spox heute von Autor Stefan Rommel veröffentlicht wurde. Darin versucht er sich an einer Zustandsbeschreibung der Situation im Sturm der deutschen Nationalelf mit Blick auf die Zukunft.

Das ist ja auch soweit logisch. Denn bei gerade einmal drei fürs Spiel gegen Aserbaidschan nominierten Stürmern, von denen einer auch noch angeschlagen ist, kann man hier schon mal zarte Nachfragen stellen. Und die Argumentationskette, die Rommel entwirft, ist auch durchaus verführerisch:
Als einzige Alternative zur Nachnominierung für den verletzten Podolski wäre Kießling in Frage gekommen. Dahinter allerdings befindet sich laut Rommel vor allem Leere in der Bundesliga: Nach seiner Rechnung gibt es 85 Bundesligastürmer, von denen gerade einmal 22 Spieler einen deutschen Pass besitzen und von denen dann wiederum „nur gut die Hälfte als Stammspieler gesetzt sind“.
Zumal aus diesem Pool dann auch noch der am Wochenende erfolgreichste Stürmer, Kevin Kuranyi, ausgeschlossen werden muss, da er bei Löw wohl eher keine Chancen mehr bekommt. Und außerdem fällt Helmes erst einmal monatelang aus.

Neben dieser Legionärsproblematik bringt Rommel dann unter dem Eindruck der U21-EM auch noch den mangelnden Nachwuchs ins Spiel. Schließlich hat Deutschland dort teilweise ohne einen nominellen Stümer gespielt, und der einzig wirkliche Stürmer, Sandro Wagner, spielt nur in der zweiten Liga bei Duisburg. Und auch die zwei anderen Stürmer der Jahrgänge ’89 bis ’91, Thomas Müller und Richard Sukuta-Pasu hätten derzeit keine Stammplatzchancen.

Wie gesagt, auf den ersten Blick erscheint das alles recht schlüssig und man könnte tatsächlich beinahe meinen, dass Deutschland hier vor einem großen Problem in der Zukunft steht.

Das ist aber, mit Verlaub gesagt, ziemlicher Bullshit, da hier ein entscheidender Fakt völlig außer Acht gelassen wird, der diese Argumentationskette ziemlich in sich zusammenfallen lässt.

Schauen wir uns doch mal die derzeitigen Nationalspieler an:

Stammspieler Miroslav Klose ist momentan 31 Jahre alt und damit der einzige derzeitige Nationalstürmer über 30 Jahre. Womöglich ist die WM in Südafrika sein letztes großes Turnier, bei gleich bleibenden Leistungen und sofern es die Gesundheit erlaubt, wäre es aber auch nicht erstaunlich wenn er als 34jähriger auch noch 2012 dabei sein könnte.

Stammspieler Mario Gomez ist im vergangenen Monat 24 Jahre alt geworden. Er wird also, unter der Voraussetzung, dass die Entwicklung der letzten Jahre auch bei Bayern so weiter geht, noch locker 4 Turniere spielen können. Selbst bei der WM 2018 wäre er lediglich 33 Jahre alt.

Gleiches gilt für den einen Monat früher geborenen Lukas Podolski, der zwar nun eine eher harte Zeit bei Bayern hinter sich hat, aber selbst dann hat er in der Nationalelf regelmäßig gute Leistungen abgeliefert. Auch er wäre also bei der WM 2018 gerade 33 Jahre.

Der oben angesprochene, derzeit verletzte Patrick Helmes ist Jahrgang 1984 (wäre bei der EM 2016 also etwa so alt wie Klose bei der kommenden WM) und bei halbwegs normalem Genesungsverlauf und einem entsprechenden Comeback, dürfte auch er für die WM in Südafrika, wie die drei vorher genannten gesetzt sein und damit einen Sturm bilden, der in den letzten 16 Jahren selten so gut und vor allem so JUNG besetzt gewesen ist.

Um Platz 5 werden sich vermutlich zwei Spieler streiten, so wie es derzeit aussieht.
Helmes‘ Teamkollege Stefan Kießling hat dabei den Vorteil der Jugend auf seiner Seite, denn auch er ist erst 25 Jahre alt und hätte demnach ebenso noch locker 4 Turniere vor sich, die er spielen könnte.
Der andere Kandidat ist Cacau, der immerhin schon 28 Jahre auf dem Buckel hat, also voraussichtlich noch drei Turniere spielen könnte. Allerdings hat Cacau in der deutschen Öffentlichkeit nicht die ganz große Lobby, und sein größtes Faustpfand (abgesehen von einer soliden Torquote über Jahre hinweg) ist wohl ohnehin, dass er mehrere Jahre an der Seite von Gomez spielte, mit dem er sich nahezu blind versteht.

Wir halten also an dieser Stelle fest, dass selbst wenn es jetzt ein akutes Nachwuchsproblem gäbe, dann könnte man mit dem jetzigen Sturm also recht problemlos die kommenden zwei Turniere spielen, und ein Grundgerüst von VIER guten bis potentiell exzellenten Stürmern hätte man sogar bis mindestens zur Europameisterschaft 2016 verfügbar!

Das würde also bedeuten, dass wir dringenden Bedarf für wirklich gute Nachwuchsstürmer erst zur Qualifikation für die WM 2018 hätten. Ein Turnier, dessen Austragungsort noch nicht einmal feststeht. Und eben eine Qualifikation, die dann *beginnt*, wenn die Jahrgänge ’89 bis ’91 schon satte 25-27 Jahre alt sind.

Das heisst also, es ist eigentlich völlig irrelevant, dass ein Sandro Wagner (0der auch ein von Rommel nicht beachteter Rouwen Hennings) zum jetzigen Zeitpunkt „nur“ Stammspieler in der zweiten Liga ist. Oder auch, dass ein Sukuta-Pasu oder ein Thomas Müller in der Bundesliga bei ihren Teams noch nicht den großen Druchbruch geschafft haben. Denn sie haben eines, was Herr Rommel bei der Recherche seines Artikels leider nicht hatte: Zeit.
All diese Spieler haben locker noch drei Jahre, bis sie sich wirklich etabliert haben müssten (wenngleich ein früheres Durchsetzen auch gewiss nicht negativ wäre).

Und um zum Beinahe-Abschluss noch ein wenig Namedropping zu machen: Zu besagten Jahrgängen ’89-’91 zählen daneben noch ein André Schürrle, der bei Mainz gerade seinen ersten Bundesligaeinsatz absolviert hat (kicker-Note 2,5), ein Fabian Bäcker, der in 48 A-Jugend-Buli-Einsätzen 42 Tore erzielt hat oder ein Daniel Ginczek, der mit 17-18 Jahren in der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund vergangenes Jahr 10 Tore in 16 Regionalliga-Einsätzen erzielt hat. Dazu kommen dann noch Savio Nsereko, der bei U19-EM im vergangenen Jahr zum besten Spieler gewählt wurde und mittlerweile bei West Ham United unter Vertrag steht, wo er schon 10 Kurzeinsätze in der Premier League absolviert hat.

Zu guter Letzt sei noch auf einen Aspekt hingewiesen, den man in dieser Diskussion vielleicht auch noch einbringen kann, der aber beispielsweise von Herrn Rommel auch komplett ausgeblendet worden ist. Nicht zuletzt die U21-EM hat ja gezeigt, dass es durchaus auch mit nur einer Sturmspitze gehen kann, in einem System mit zwei vorgezogenen offensiven Mittelfeldspielern beispielweise. Und da, das wird vielleicht Herr Rommel auch so sehen, herrscht derzeit ein durchaus gutes Angebot an Talenten.

Selbstverständlich ist das alles sehr theoretisch und es gibt recht viele Konjunktive in diesem Text. Schließlich kann es durchaus passieren, dass Helmes nach seinem Kreuzbandriss nie wieder der Alte sein wird oder ein Gomez nachhaltig am Druck in München zebricht oder ein Klose nach der WM 2010 zurücktritt.
Aber so ist das nun mal, wenn man versucht in die Zukunft zu blicken, denn da kann man eben nur ein wenig spekulieren, schließlich weiß da nur der Terminator wirklich drüber Bescheid.

Wenn man aber spekulieren möchte, gerade als Journalist, dann sollte man sich intensiv drum bemühen, so nah wie möglich an den Fakten zu bleiben, die man tatsächlich überprüfen kann. Und das hat Rommel meines Erachtens entweder sträflich vernachlässigt, oder aber bewusst so gewählt, um kurz vor dem Länderspiel eine billige Polemik zu verfassen. Ersteres wäre schon äußeres kritikwürdig, sollte es zweiteres sein -aus welchen Beweggründen auch immer-, dann wäre es absolut verachtenswert.

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Zum Abschluss noch ein wenig Statistikkram, in Form einer Liste von den Sturmaufgeboten bei Turnieren ab der WM 1990. Nach dem Klick.