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Ent-Täuschungs-Versuch.

15 Aug

Ich muss zugeben, ich bin enttäuscht.

Als ich am Samstag um kurz nach 18 Uhr den Mönchengladbacher Wellblechpalast betrat, tat ich das in der einigermaßen sicheren Überzeugung, dass ich diesen Ort rund 2 Stunden später als Fan des alleinigen Tabellenführers wieder verlassen würde.

Das neu gewonnene Selbstvertrauen hatte unter Umständen auch mit der Zahl der vorab beim Gladbacher „Stamm“-Griechen (zweimal ist Tradition, oder?) verzehrten Kölsch zu tun, aber eben auch damit, dass keines der Teams mit weißer Weste eine mit uns konkurrierende Tordifferenz aufweisen konnte, nach den Samstagnachmittagspielen. Denn ich rechnete durchaus mit einem Sieg gegen Gladbach, keinem deutlichen, aber einem Sieg. Und der hätte schon gereicht für Platz 1. Aber leider reichte es am Ende dann doch nur zu einem Remis und damit „nur“ zu Platz 4, bzw. relevanter: zu 4 Punkten insgesamt.

Dabei ließ es sich eigentlich gar nicht so sehr schlecht an. Bis auf eine sehr gute Gelegenheit von Reus wenige Sekunden nach Anpfiff, hatte der VfB die Gladbacher Borussia sehr gut im Griff und ließ ihnen in der eigenen Hälfte kaum Raum, um zu ernsthaften Torchancen zu kommen. Die hatte, wie schon vor Wochenfrist überwiegend der VfB für sich zu verzeichnen – leider aber auch mit der selben Schlampigkeit im Abschluss wie vor Wochenfrist.

Allerdings waren die Chancen für den VfB auch weder quantitativ wie qualitativ so stark vorhanden wie  noch gegen Schalke. Denn die Borussia bestätigte ihre starke Defensivleistung aus dem Auftaktspiel mit einer ähnlich konzentrierten und ruhigen Leistung, die es dem VfB eben selten erlaubte seinerseits zu guten Gelegenheiten zu kommen, da die Abseitsfalle der Gladbacher hervorragend funktionierte (bzw. teilweise die Stuttgarter Mittelfeldspieler den Pass einfach zu spät spielten).
Und da auch der VfB, wie erwähnt, defensiv sehr aufmerksam agierte, entwickelte sich im Laufe der ersten 45 Minuten ein zwar gut anzuschauendes Spiel, aber eben auch eines mit eher überschaubarem Unterhaltungswert.

Das änderte sich, obwohl keiner der Trainer wechselte, dann allerdings in der zweiten Hälfte, da der VfB nach dem Wiederanpfiff wesentlich offensiver eingestellt agierte und die Gladbacher schon früher unter Druck setzte, wodurch sich einige gute Gelegenheiten ergaben, vor allem über die linke Seite mit Molinaro und Gentner, sowie später Traoré (insgesamt 9 Flanken versus 4 über rechts). Aber trotz einer Steigerung der Chancenzahl konnte der VfB auch hier wieder nichts zählbares für sich herausholen und lief stattdessen in einen Konter, der zum nicht ganz verdienten Führungstreffer der Gladbacher führte.

Von meinem Platz auf der anderen Seite des Stadions aus habe ich im laufenden Spiel den Elfmeter als richtige Entscheidung so hingenommen. Nach Studium der Bilder im Fernsehen später am Abend sah das schon deutlich anders aus. Marco Reus möchte ich dabei nichtmal einen bewussten Täuschungsversuch unterstellen, da der Zweikampf von Kvist durchaus robust geführt wurde – aber wie es in den Regeln so schön heisst: Im Kampf um den Ball und mit angelegtem Arm.
Wenn man sich die Szene allerdings die Konterszene komplett anschaut, dann gibt es einige Sekunden vorher, so rund 5 Meter vor der Strafraumgrenze ein erstes Zusammentreffen zwischen beiden Spielern, aus dem Reus als Gewinner hervorgeht, weil er in fast identischer Manier Kvist wegrempelt – allerdings mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass Reus dabei den Ellenbogen/Arm weit deutlicher nutzt als es der Däne wenige Sekunden darauf tut.

Ich will mich nicht an Schiedsrichterentscheidungen aufhängen, das ist hier bekanntermaßen wirklich selten der Fall, aber die Gesamtszene bietet für mich eben ein perfektes Beispiel für Schiedsrichterschulungen um innerhalb weniger Sekunden den Unterschied zwischen korrektem und inkorrektem Rempeln zu zeigen.
So bleibt es eben als Beispiel haften, wie unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe bei ähnlichen Situationen innerhalb und außerhalb des Strafraums angelegt werden.

Erfreut habe ich dann allerdings die Reaktion des Teams wahrgenommen, die sich nicht von dem unglücklichen Rückstand hat aus der Bahn werfen lassen, sondern in den folgenden Minuten wieder verstärkt angriff und schon kurz darauf im Nachgang einer eigentlich geklärten Ecke aufgrund eines guten Nachsetzens von Kvist gegen  Hanke zum Ausgleichstreffer durch Cacau kam. Nach den durchaus actionreichen Minuten um die 70. herum verflachte das Spiel dann wieder ein wenig, wobei beide Teams zu vereinzelten Gelegenheiten kamen. Auch die gelb-rote Karte für Brouwers veränderte die Dynamik nicht mehr entscheidend, da Gladbach ohnehin ja weit mehr Wert auf die Defensive legte und weitestgehend Offensivaktionen nur in Form von Kontern vornahm.

Unter dem Strich geht das Unentschieden trotz des unglücklichen Zustandekommens sicherlich aber in Ordnung.

Zwar schmerzen die zwei Punkte weniger, aber in Anbetracht der Gesamtsituation kann man zum jetzigen Zeitpunkt mit vier Punkten aus den ersten zwei Saisonspielen durchaus leben. Die „Zufriedenheit“ meinerseits liegt vor allem in den bisherigen Auftritten des Teams begründet.
Mit den Leistungen der vergangenen Spielzeit im Hinterkopf, sowie den zahlreichen Verletzungsfällen der letzten Wochen, musste man schließlich ein großes Fragezeichen hinter die Defensivabteilung stellen. Doch diese hat sich in den beiden Spielen gegen Schalke und Gladbach bisher als erstaunlich zuverlässig präsentiert und deutet an, dass die beiden Verpflichtungen von Maza und Kvist hier zwei Volltreffer gewesen sein könnten. (Rechnet man noch Hajnal und Okazaki dazu, dann wären 4 der letzten 5 Transfers von Bobic Treffer – Traoré noch ausgeklammert – wann hatte ein VfB-Manager das letzte Mal eine solche Quote?).
Zumindest hat man den Eindruck, dass Tasci neben Maza seine Souveränität früherer Jahre wiedergefunden hat und auch Kvist scheint seinen Nebenmann Kuzmanovic in defensiver Hinsicht ganz gut zu ergänzen. Und auch die beiden anderen Puzzlestücke der Defensive, die Aussenverteidiger, zeigen sich bislang mit sehr soliden Leistungen und lassen hinten wenig zu.

Dementsprechend verschiebt sich das Fragezeichen derzeit eher in Richtung Offensive. Im Spiel gegen Schalke waren viele gefährlichere Offensivaktionen aus Standards oder sehr weit aufgerückten Schalkern entstanden, zwei Dinge, die der VfB am Samstag nicht so regelmäßig vorgesetzt bekam, wie noch die Woche zuvor. Dementsprechend stand der VfB zumeist vor der Aufgabe, aus dem Spiel gegen zwei tiefstehende Viererketten Chancen zu erarbeiten – eine Aufgabe, die eventuell noch zu schwierig für dieses Team sein könnte. Nicht umsonst entstand das Tor aus einer Situation, als die Gladbacher Mannschaft gerade im Begriff war, nach einem abgewehrten Eckball auf Konter umzuschalten, und dann aprupt durch Kvists Ballgewinn wieder zurückschalten musste, was die Defensivstruktur lang genug irritierte, um Gentner ausreichend Platz für eine unbedrängte Kopfballvorlage zu geben.
Es wirkte allerdings am Samstag auch so, dass zentrale Offensivspieler wie Hajnal und vor allem Harnik, die Länderspieltripps unter der Woche nicht ganz so gut verkraftet hatten und dementsprechend nicht auf der Höhe ihres Leistungsvermögens waren. Vor allem bei Harnik aber kein Wunder, nachdem er eine Schulterverletzung aus dem Länderspiel mitbrachte. Bringen diese beiden Spieler wieder stärkere Leistungen auf den Platz, dann sollte auch ein Spiel gegen ein so defensivorientiertes Team wie Gladbach mit einem Sieg beendet werden können.

Wenn man aus zwei (mit Pokalspiel drei) Spielen halbwegs seriöse Rückschlüsse ziehen kann, dann erwarte ich in dieser Saison eine Platzierung im oberen Mittelfeld der Liga. Aufgrund der stabil erscheinenden Defensive, sollte man in diesem Jahr mit mehr Siegen gegen Teams rechnen können, gegen die man im letzten Jahr noch verloren oder Remis gespielt hat. Auch weil die Standardsituationen in dieser Saison zu einer ernst zu nehmenderen Waffe geworden sind und so vermutlich die eine oder andere defensivstarke Mannschaft vielleicht knacken kann.
Ob man auch gegen Mannschaften mit viel Klasse in der Offensive mithalten können wird, darüber wird man sicherlich am kommenden Wochenende gegen Leverkusen schon einige Aufschlüsse bekommen. Durch die eher offensive Ausrichtung von Leverkusen könnten sich sicherlich einige Räume für entsprechende Konter ergeben, zumal die Abwehr vor allem gegen Mainz nicht den sattelfestesten Eindruck gemacht hat. Mit Spielern wie Derdiyok, Kießling, Schürrle und Renato Augusto wird vor allem aber die Defensive des VfB zeigen müssen, ob sie die guten Eindrücke bestätigen kann oder ob der solide Auftritt gegen Schalke (immerhin mit Huntelaar, Raul und Holtby mindestens so prominent besetzt) eher dem schwachen Teamspiel der Gelesenkirchener geschuldet war, die sich erst in Halbzeit 2 gegen Köln wirklich freispielen konnten.
Die spannendste Geschichte für die Medien (und zugegeben ein bisschen auch für uns Fans) wird natürlich die „Rückkehr“ von Bernd Leno sein, der ja seit vergangener Woche für einige Monate nach Leverkusen ausgeliehen ist. Es wird interessant zu sehen sein, wie stark er wirklich ist und ob er neben dem für ihn neuen Druck eines Bundesligastammtorhüters auch mit der speziellen Situation eines Spiels bei seinem langjährigen Verein umgehen kann. Gestern wurde er ja von Bremen leider noch überhaupt gar nicht gefordert, so dass man sich noch kein wirkliches Urteil bilden konnte. Aber gut, wir werden es bald sehen.

Unabhängig von der kurzfristigen Aufgabe bin sehr gespannt, wo der Weg in den nächsten 5-6 Wochen genau hinführen wird, aber sicher bin ich mir doch sehr, dass dieser Weg nicht wieder im frühzeitigen Abstiegskampf mündet. Dazu macht das Team momentan einen zu gefestigten Eindruck. Und ich hoffe, dass ich mich diesbezüglich nicht selbst täusche…

 

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