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Humildad.

9 Aug

ES MACHT WIEDER SPASS!

ENDLICH.

In den letzten zwei Jahrzehnten war das Motto des VfB ja in aller Regel „Wir können alles, ausser Saisonstart.“ (oder erweitert betrachtet „Hinrunde“,  wobei das eher nur für die letzten Jahre so gilt). Doch dieses Jahr war mal wieder einer der seltenen Momente, in denen eine Spielzeit mit einem sportlichen Erfolgserlebnis begonnen wurde.

Passend zum neuen Ambiente selbstverständlich, denn schließlich wurde ja unser neues, endlich komplettes Wohnzimmer offiziell eingeweiht am vergangenen Samstag – wie ja nun wirklich allerorten ausgiebig berichtet wurde.

Und man muss sagen: Es ist ein schickes Stadion geworden, das dank der Dachkonstruktion definitiv seinen eigenen Charakter behalten hat. Dazu gibt es dann noch so ein paar kleine Eigenheiten, wie die Turnhalle in der UK oder die Fenster zum Spielfeld hin in den Herrentoiletten der CK und natürlich noch weitere Dinge, die man ganz gut durchdacht hat.

Blick von der UK in Richtung neuer Cannstatter Kurve

Blick von der UK in Richtung neuer Cannstatter Kurve

Einen besseren Eindruck vom Stadiongefühl, speziell aus der Cannstatter Kurve bekommt man übrigens bei heinzkamke, der as usual a grandios Blogbeitrag verfasst hat.

Das Wichtigste allerdings ist natürlich das Geschehen auf dem Platz und nicht das Drumherum. Und auch da konnte man sich als VfB-Fan nicht großartig beklagen. Gründe (zu klagen) hätte man durchaus finden können, aber hey, es war der erste Spieltag, da kann noch nicht alles rund laufen. Und nach dem Verlauf der letzten Saison ist ja ein bisschen Demut ohnehin angebracht (zumindest wenn es nach offiziellem Vereinssprech geht…).

Das Spiel begann wie ein Spiel eben so beginnt nach einer Sommerpause, die man nicht als überlegener Deutscher Meister und ohne großen Personaladerlass hinter sich gebracht hat: Etwas hektisch und fahrig, geprägt von Nervosität auf beiden Seiten.

Glücklicherweise war es in diesem Jahr der VfB, der sich als erstes Team von der Debütnervosität hat lösen können und bald zu ersten Chancen kam. Chancen, die teilweise erschreckend kläglich vergeben wurden, oder wie bei der Schwalbe von Gentner unnötig weggeworfen wurden.

Aber wie gesagt: Demut…

Und immerhin: Trotz einigem Geflippere im Mittelfeld hat man sich diese Chancen erspielt (wenn auch teils durch Zufall). Gegen ein Team, das am Samstag seiner namhaften Besetzung zwar nicht ganz gerecht wurde, aber dennoch viel individuelle Qualität besitzt – hat man doch schließlich keinen relevanten Abgang zu verzeichnen, sondern im Gegenteil mit Fuchs und Holtby zwei starke Zugänge.
So kamen dann auch nach knapp einer halben Stunde die Schalker zu ersten Chancen, darunter zwei, die durchaus vielversprechend waren, aber ihr Ziel verfehlten.

Gerade als die Schalker sich etwas besser ins Spiel fanden, kam der VfB dann allerdings zu einer Ecke – und wie schon beim Pokalspiel gegen Wehen Wiesbaden sollten sich auch am Samstag die Standardsituationen wieder als eine unserer schärfsten Waffen im Arsenal erweisen. Auch dieses Mal wieder von Hajnal geschlagen, fand sie den Kopf von Neuzugang Maza, der sich sehr vehement aber fair im Kopfballduell gegen Papadopoulos durchsetzte und den Ball zum freistehenden Cacau bekam, der ihn ins rund 1 Meter entfernte Tor verlängerte. Cacau stand im übrigen auch deshalb so frei, weil er sich von Lewis Holtby davon stehlen konnte, nachdem dieser von Neuer-Nachfolger Fährmann weggestoßen wurde, um selbst mehr Platz zu bekommen.

Bis zum Pausenpfiff war dann weiter der VfB am Drücker und hätte die Führung durchaus höher gestalten können, hätten die Herren Gentner, Harnik, Cacau, etc. nicht weiter so eklatante Abschlussschwächen an den Tag gelegt.

Aber wie gesagt: Demut…

Die zweite Halbzeit begann dann mit einer personellen Änderung auf Schalker Seite, sowie einer gefühlt strategischen Änderung bei unserem Team. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass man in Hälfte 2 insgesamt ein ganzes Stück tiefer stand und sich vorwiegend darauf verlagerte Konter zu fahren. Keine risikofreie Strategie, zumal man letzte Saison genau deswegen schon häufiger auf die Fresse fiel.

So ein bisschen erkennt man das auch an den beiden folgenden, komplett überladenen Grafiken. Aber Grafiken sind ja derzeit „in“. Da muss man als Blogger auch mal dem Trend folgen.

Spielgeschehen in Hälfte 1

Spielgeschehen in Hälfte 1

Spielgeschehen in Hälfte 2

Spielgeschehen in Hälfte 2 (Quelle: bundesliga.de)

Aber zum Einen stand am Samstag die Stuttgarter Abwehr ziemlich sicher und ließ wenig zu, zum anderen war aber auch die Schalker Offensive unter dem Strich überraschend harmlos. Zudem gelang es dem VfB recht bald nach Wiederanpfiff die Führung auf ein etwas komfortableres 2:0 zu erhöhen.
Auch hier war wieder eine Standardsituation von Hajnal der Ausgangspunkt, nachdem der Ungar einen Freistoß im Halbfeld schnell auf den sprintenden Molinaro passte, der wiederum maßgenau in den Strafraum flankte und mit Martin Harniks Kopf den passenden Abnehmer fand.

Der Rest des Spiels lässt sich dann relativ leicht erzählen: Schalke drückte auf einen Anschlusstreffer, ohne dabei wirklich druckvoll zu agieren oder gar gefährlich zu sein, während der VfB sich darauf konzentrierte die Bälle halbwegs vom Strafraum wegzuhalten (was meist gelang und ansonsten waren Maza, Tasci oder Ulreich da) und gelegentlich mit einem Konter die gegnerische Defensive ebenso wie das eigene Unvermögen im Abschluss bloß zu stellen.

Aber: Demut… sagte ich schon, oder?

Erst kurz vor Schluss gab es dann noch einmal einen wirklich erwähnenswerten Moment, als Kuzmanovic einen genialen Diagonalpass [=> vgl. Delpierrsche Diagonale, die] auf den kurz zuvor eingewechselten Shinji Okazaki schlug, der erst den hochgelobten Fuchs (der an allen drei Toren eine gewisse Mitschuld trug) aussteigen ließ, bevor er den Ball mit einem wundervollen Strahl ins lange Ecke drosch.

Damit war der Deckel auf einem Spiel drauf, das so in der Nachbetrachtung irgendwie seltsam wirkte. Einerseits war Schalke weder gefühlt, noch von den statistischen Werten so drastisch unterlegen, dass ein 3:0 zwingend war. So gab es für Schalke auf der statistischen Habsenseite zum Beispiel 15 zu 14 Torschüsse , 51,9% gewonnene Zweikämpfe, 51,7% Ballkontakte und drastische 25 zu 4 Flanken zu verzeichnen.

Andererseits sagt eben die reine Quantität der Werte absolut nada über die Qualität der Situationen aus (fragt mal bei den Münchnern nach…) und so hätte sich Schalke gefühlt auch nicht über eine 5:0-Packung beschweren können, wenn man einige Situationen im Hinterkopf hat, wo Stuttgarter frei vor dem Tor standen…

Vor allem in Halbzeit 2 war ja wie erwähnt die Defensive vor allem gefordert.
In erster Linie stand dabei Sven Ulreich im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit, der in der letztjährigen Hinrunde insgesamt dreimal zu Null spielte, wobei das die beiden absoluten Freakspiele gegen Mönchengladbach (7:0) und Bremen (6:0) beinhaltete. Jetzt startet er direkt mit einem „Shutout“ und bekam durchaus zurecht verbales Lob der Untertürkheimer Kurve in Form von Sprechchören, schließlich waren da ein paar durchaus gute Paraden dabei, die nicht selbstverständlich gehalten werden mussten. Bzw. von denen der eine oder andere Ball vor einem Jahr vermutlich noch reingegangen wäre (um hier mal haltlose Behauptungen aufzustellen, die meine Argumentation scheinbar untermauern, aber doch nix aussagen…).
Insgesamt musste er jedenfalls von den 15 abgegebenen Torschüssen bei 9 eingreifen, auch wenn nicht jeder Schuss/Kopfball wirklich gefährlich war.

Einen ebenso großen Anteil am Zu-Null-Spiel wie Ulreich hatte aber sicherlich auch die im letzten Jahr zurecht oft gescholtene Abwehrreihe an diesem Samstag. Personell gab es im Vergleich zum Quasi-Stammpersonal der Rückrunde dabei trotz all des Buheis in den letzten Wochen effektiv lediglich eine Veränderung: Maza spielte an Stelle des verletzten Niedermeiers in der Innenverteidigung. Seine drei Nebenleute waren allerdings mit Molinaro, Boulahrouz sowie IV-Partner Tasci schon in den ersten Monaten von 2011 regelmäßiger im Einsatz.
Der mexikanische Neuzugang fügte sich direkt mal prächtig ein und zeigte am Samstag deutlich, dass er eine Verstärkung sein kann. Vor allem in der zweiten Halbzeit zeigte er sich mehrfach als „Turm in der Schlacht“ und entschärfte diverse Flanken und Standardsituationen in Strafraumnähe durch Kopfbälle und Befreiungsschläge. Bedenkt man, dass wir  gerade bei Standardsituationen im letzten Jahr häufig schwammen könnte seine Kopfballstärke und auch Ruhe in dieser Hinsicht Gold wert sein. Zudem hatte er mit 68,4% die besten Zweikampfwerte des Teams. Ein Tor bereitete er zudem vor.
Aber auch der oft kritisierte Serdar Tasci spielte am Samstag eine sehr starke Partie und sorgte mit dafür, dass der Strafraum in der Regel in Stuttgarter Hand war und nur selten gefährliche Situationen in Tornähe zustande kamen.

Die beiden Aussenverteidiger Boulahrouz und Molinaro lieferten ebenfalls mindestens solide Leistungen ab, wobei der Italiener natürlich den auffälligeren Auftritt hatte, als er das 2:0 per maßgenauer Flanke vorbereitete. Im Übrigen die einzige Flanke (von nur 4), die ein Stuttgarter zum Mitspieler brachte. Effektivität nennt man das wohl.
Boulahrouz hingegen knüpfte in erster Linie an seine Leistungen der Rückrunde an, was bedeutet, dass er bestätigte eine ordentliche Option für rechts hinten zu sein, mit der wir über die Runden kommen würden – aber eben nur, wenn sich defensiv niemand mehr verletzt oder gesperrt wird. Realistisch ist das nicht…

Wenn man von Defensivverbund spricht, muss selbstverständlich auch die Doppelsechs erwähnt werden, die von Kuzmanovic und Kvist gebildet wurde. Hier stand natürlich vor allem der zweite Neuzugang, William Kvist, im Fokus, der so etwas wie der Königstransfer dieser Sommerpause sein dürfte.
Laut Eigenaussage steht er vor allem dafür, den einfachen Pass zu spielen und nicht zu zaubern. Und tatsächlich hatte ich im Stadion den Eindruck, dass er bei 90% der Aktionen mit dem Rücken zum gegnerischen Tor stand. Das ist statistisch nicht ganz belegbar, allerdings hat er rund die Hälfte seiner Pässe tatsächlich quer oder nach hinten gespielt.

Passübersicht von William Kvist

Passübersicht von William Kvist (Quelle: bundesliga.de)

Trotz des vorwiegenden Sicherheitsdenkens deutete er allerdings auch an, dass er durchaus auch offensiv sinnvoll agieren kann. So gab es ca. in Minute 65 eine Situation, in der Kvist aus der Bedrängnis raus einen Zuckerpass die Linie entlang schlug, den leider Gentner (oder evtl. Harnik) nicht ganz vernünftig verarbeiten konnte, sonst wäre daraus eine exzellente Konterchance entstanden. Mehr zu Kvist wird es in den nächsten Tage in zwei separaten Texten geben.

Wer in der öffentlichen Wahrnehmung hingegen ein wenig zu kurz kam, war sein Nebenmann Kuzmanovic, der am Samstag eine starke Partie ablieferte. Der Serbe zeigte sich extrem passsicher (31 von 35), dazu sehr einsatzfreudig (64,3% gewonnene Zweikämpfe, mit 11,5km die höchste Laufleistung des Teams) und krönte seine Leistung mit dem oben schon erwähnten Zuckerpass auf Okazaki vor dem 3:0.

In der Offensive war wie zu erwarten natürlich einmal mehr Hajnal die Schaltzentrale. Auch wenn er im laufenden Spiel nicht ganz so brillierte, war er sehr aktiv, und glänzte vor allem wieder einmal mit seinen Standardsituationen, die sich in dieser Saison bislang zur echten Waffe entwickeln. 4 der 5 Pflichtspieltore resultierten bislang direkt oder indirekt aus seinen Ecken oder Freistößen!

Auch Harnik knüpfte im Guten, wie im Schlechten an die Leistung im Pokalspiel an: Überaus bemüht, sich immer wieder Chancen erspielend, aber auch sehr unglücklich im Abschluss. Glücklicherweise konnte er dann aber letztlich doch zumindest ein Tor für sich verbuchen, so dass hier zumindest keine Serie entsteht, an der sich Fans und Presse aufhängen könnten. Im Übrigen sein erstes Kopfballtor in 50 Bundesligaspielen.

Ein Kopfballtor erzielte auch die einzige Spitze Cacau. Hier ist es ebenfalls sehr gut, dass er zumindest einen Torerfolg für sich verbuchen konnte, nachdem er im Pokalspiel sehr glücklos und auch ohne Anbindung ans Spiel des restlichen Teams wirkte. Letzteres bestätigte sich am ersten Spieltag nicht wirklich, die Glücklosigkeit im Abschluss setzte sich allerdings teilweise fort. Zumindest bis zur Rückkehr von Schieber hoffe ich, dass er nicht mal wieder in eines seiner berüchtigten Löcher fällt, sondern aus dem Erfolg vom Samstag und vermutlich auch dem Länderspielerlebnis am Mittwoch gegen Brasilien Selbstvertrauen und Spielfreude ziehen kann.

Von den drei Einwechselspielern zog naturgemäß der Torschütze Okazaki die meiste Aufmerksamkeit auf sich – durchaus zurecht, erzielte er doch ein wunderschönes Tor. Er sorgte auch für mein persönliches Bild des Tages, als er lange nach Abpfiff als einer der letzten VfB-Spieler noch auf dem Rasen stand und zur Leinwand hochschaute, wo sein Tor in der Wiederholung gezeigt wurde. Seinen Gesichtsausdruck hätte ich gerne von Nahem gesehen…

Zum dritten Neuzugang, der am Samstag eingesetzt wurde, Ibrahima Traoré vielleicht noch ein kurzes Wort: Vielleicht wird man mir diesen Satz irgendwann mal um die Ohren hauen, aber ich sehe nicht, dass er sich bei uns dauerhaft etablieren wird. Taktisch wirkt er zu naiv, verliert in dummen Dribblings in der eigenen Hälfte den Ball und ist zudem alles andere als robust im Zweikampf (auch wenn er mich einmal positiv überraschte, als er einen Schalker Spieler blockte).

Aber wir werden sehen. Wichtig ist erst einmal, um zum Beginn zurückzukehren, dass der VfB wieder Spaß macht! Die Kritik kann erst einmal hintenangestellt werden, sofern die Mannschaft auf den bislang gezeigten Leistungen aufbauen kann.

Und ohnehin hat man sich als VfB-Fan schließlich in Demut zu üben, daher erwarten wir für kommenden Samstag mal nicht allzu viel. Schließlich geht es gegen die Bayernbezwinger vom Niederrhein, die am Sonntag einen beeindruckenden Defensivbeton angerührt haben. Ich bin gespannt, wie der VfB mit einer solchen Mannschaft umgehen kann, die Qualität der Standards gibt auf jeden Fall Hoffnung.

Und wenn ich dann daran denke, in welchem psychischen Zustand ich mich bei der letzten Begegnung beider Teams im vergangenen Februar befand, dann fällt es tatsächlich nicht schwer, Demut an den Tag zu legen…

PS: Tabellenführung, bitches!

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