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Die UEFA-Europa League – ein Plädoyer

10 Nov

Hallo. Mein Name ist Philipp. Ich bin 31 Jahre alt, glücklich liiert und stehe mit beiden Beinen fest im Leben. Und doch gibt es da etwas, was  mich umtreibt, mich bewegt, ja wie ein Stachel tief in meinem Fleisch sitzt. Ich gehöre einer Minderheit an.  Ich bin einer von denen, auf die man mit dem Finger zeigt, über die man hinter vorgehaltener Hand kichert und platte Witze reißt.  Ich bin ein Fan der UEFA Europa-League. So richtig.  Hoffentlich erklären die folgenden Zeilen meinen Irrweg ein wenig und ich kann dem geneigten Leser meine gravierende Fehlentwicklung glaubhaft darlegen. Ist alles ernst gemeint, versprochen!

Ausflug in die Historie

Die UEFA Europa League, wie wir sie heute kennen, fand ihren Ursprung einst im „Messestädte-Pokal“.  Diese erst  im Jahre 1971 eingestellte Konkurrenz, in der Teams als Vertreter von Handelsmessestädten gegeneinander spielten, gilt als Vorläufer des heutigen Wettbewerbs. In der Saison 1971/72 rief die UEFA dann den UEFA-Pokal ins Leben. Im Unterschied zum Messestädte-Pokal konnten hier Teams aus allen Mitgliedsländern und jeglichen Orten teilnehmen. Zudem wurde die Teilnahme von der Ligaposition abhängig gemacht. Doch der Wettbewerb erfuhr noch weitere Modifikationen. Seit dem Spieljahr 2003/04 findet nach der ersten Runde eine Gruppenphase statt. Bis auf diese Gruppenphase wird der Wettbewerb weiter im K.-o.-System durchgeführt. Nach der Saison 2008/09 erfolgte eine Umbenennung des UEFA-Pokals. Die UEFA Europa League war geboren. „Rebranding“ nennt man das heutzutage bei den „Wintersportlern  von SKY “ (© Günter Hetzer)…..doch der neue Name inklusive zeitgemäßes Logo und allerlei multimedialem Schnickschnack war noch nicht alles – auch der Modus wurde erneut modifiziert. Die Gruppenphase, die ab diesem Zeitpunkt den Beginn des Hauptwettbewerbs markierte, wurde nicht nur von 40 auf 48 Mannschaften erweitert, zusätzlich wurden die Gruppen auch von fünf auf vier Vereine pro Gruppe verkleinert, die fortan je zweimal gegeneinander antreten. Zuvor hatten die fünf Mannschaften nur je einmal gegeneinander gespielt. Waren bis dato die besten drei einer Gruppe weitergekommen, so qualifizieren sich ab der Saison 2009/10 die zwei Gruppenbesten für die nächste Runde.

Auswärtsfahren für Fortgeschrittene

Ich persönlich mag die Europa League. Ich mag sie wirklich sehr. Das hat einerseits damit zu tun, dass meine erste große Auswärts-Fahrt mit meinem Vater eben ein EL-Spiel war, was mich einfach stark geprägt hat, wie ich heute weiß (Royal Antwerpen, 1989/90, eine bittere  0:1 Niederlage, Tor: Lehnhoff). Als Steppke war das etwas Besonderes, Großes; staunend marschierte ich an Vaters Hand durch belgische Straßen und wich den Urinbeuteln und anderem Unrat aus, mit denen uns die freundlichen BelgierInnen empfingen. Sicher, das mag jetzt der ein oder andere befremdlich finden, liest sich auch komisch, geb ich zu. Nichtsdestotrotz war ich infiziert. Der Virus hatte mich endgültig gepackt.

Andererseits übt die Champions League, der stark verwässerte zweite Wettbewerb der UEFA, in der angeblich ja nur „die Besten“ gegeneinander antreten, auf mich einfach kaum einen Reiz aus. Natürlich bekommt man da die größeren, populäreren Teams als Gegner zugelost, sicherlich ist der finanzielle Anreiz deutlich größer, selbstverständlich ist man für ein paar Stunden Teil der „Biggest F****n Show on Earth“. Stimmt alles, muss ich zugeben. Aber damit einher geht eben auch eine brutale Kommerzialisierung, der Sport ist Nebensache, es zählt nur die Show, das große Event. Ist nicht jedermanns Sache.

Die Europa League ist mittlerweile selbstverständlich  auch ohne Ende „durchgestylet“. Die UEFA bemüht sich nach Kräften, den Status des Wettbewerbs aufzupolieren  und „wertiger“ zu machen, wo es nur geht.  Leider fruchten die Bemühungen nur bedingt, die aufgeblasene Champions League überstrahlt alles, die Europa League sinkt weiter in der Gunst der Anhänger. Trotzdem ist der Reiz für mich ungebrochen. Ich stehe auf kleine, ranzige Stadien, interessante Reiseziele/Städte, in die ich sonst wohl nie reisen würde, nichtalltägliche Gegner, Grillgerüche hinter der Tribüne, Sonnenblumenkern-knabbernde Heimfans. Ist so, wirklich!

Torcida Split - Hajduk Split vs MSK Zilina 2009

Eines der schönsten Spiele der letzten Jahre war ein EL-Qualispiel in Kroatien, Hajduk Split vs. MSK Zilina. Die Torcida (Ultras von Hajduk) am kochen, die Kurve brennt, das altehrwürdige „Poljud“-Stadion – obwohl bei Weitem nicht ausverkauft –  bebte 90 Minuten lang. Cevape auf die Hand, keine Plastikgeld-Promoter im weiten Rund, keine vermummten Staatsdiener und die, die da waren adriatisch entspannt…herrlich!

Ist meine Argumentation unsachlich? JA!

Beruht sie eher auf Emotionen, denn auf Fakten? SICHER!

Ist mir das egal? ABER SOWAS VON!

Die Zeit wird es zeigen

Es bleibt zu hoffen, dass die umtriebige französische Ikone ihren  bisherigen Weg weiter stringent verfolgt. Das weiterhin viele Teams mit klangvollen Namen in der CL-Quali scheitern oder aufgrund einer Schwächephase in der nationalen Liga automatisch EL spielen. Das man als Verein  irgendwann mal mit EL-Teilnahmen mehr einnimmt als bei Auftritten im DFB-Pokal.  Und insbesondere:  Es sollten mehr kleine Jungs wie ich damals an der Hand ihrer Väter mit Urinbeuteln beworfen werden.  Scheint eine immense Wirkung zu entwickeln…

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

El Pibe

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