Die Neuen 2010/11 (8): Mamadou Bah

9 Sept

Kurz vor Ende der Transferphase und aufgrund der Partien zuvor, die alle mehr oder weniger „durchwachsen“ waren (um es mal vorsichtig auszudrücken), hat der VfB Stuttgart die Notwendigkeit erkannt, seinen juvenilen und unerfahrenen Kader (Durchschnittsalter OHNE Camoranesi 25,8 Jahre) nochmal mit Erfahrung und Qualität zu verstärken. Es kam der italienische Gaucho Mauro Camoranesi, zu dem @hirngabel schon alles gesagt hat. Auch an Mladen Petric, in Hamburg anscheinend in Ungnade gefallener Stürmer, waren die Verantwortlichen interessiert und haben nach eigener Aussage „bis zuletzt um ihn gekämpft“. Leider wurde es nichts, zu den Nachwehen dieser Posse möchte ich aber hier an dieser Stelle keinen Kommentar mehr verlieren. Lohnt einfach nicht.

Etwas untergegangen ist eine weitere Verpflichtung, die an diesem Tage realisiert wurde. Aus Strasbourg, vom leider in der Versenkung verschwundenen Traditionsclub Racing, kam Mamadou Bah für ~ 600.000 Euro. Die Summe erklärt wohl auch ein bisschen, warum dieser Verpflichtung bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Was kann der schon können, ein Billigheimer von einem französischen Zweitligaabsteiger?? So ungefähr der Tenor der sich in den Foren austobenden Anhängerschaft, die geradezu nach großen Namen gierte. Ferner ist der Spieler wohl auch nur absoluten Experten/Scouts bekannt gewesen. Beides jedoch muss nichts heißen – und sagt auch nicht wirklich etwas über die Qualität des Spielers aus. Allerdings darf man konstatieren, dass alle Spieler, die in jüngster Vergangenheit aus Frankreich zu uns kamen, durchaus zu überzeugen wussten. Gut, Farnerud lassen wir mal unter den Tisch fallen. Aber Christophe Rempp (Scout für FRA & BeNeLux) macht einen guten Job, soviel ist sicher.

Mamadou Bah

Mamadou Bah © VfB Stuttgart 2010

Leider habe ich trotz längerer Recherche keinen elsässischen Blogger gefunden, der mir Informationen liefern konnte, drum versuche ich jetzt einfach, ein wenig Licht uns Dunkel zu bringen. Bedient habe ich mich dabei den einschlägigen Quellen und seiner eigenen (?) Homepage http://www.bahmamadou.com/ .

Mamadou Diouldé Bah (181cm, 75kg) kommt aus dem westafrikanischen Guinea und ist damit nach dem Diplomatensohn Pablo Thiam der zweite Spieler aus diesem Land beim VfB. Bah kam am 25.04.1988 in der Hauptstadt Conakry zur Welt und ist aktueller Nationalspieler seines Landes. Sein Debüt gab er beim Africa Cup of Nations 2008 gegen Ghana. Vor Kurzem erst war er auch wieder für sein Land im Einsatz. Seine Geschichte ist typisch, man hat sie in verschiedensten Variationen schon oft gelesen. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, seine Eltern sind strenggläubige Muslime und schickten ihren Sohn auf die örtliche Koranschule – was auch gleich zu Problemen führte. Denn Fußball, so wurde es ihm gelehrt, sei was für Faulenzer und sowieso „Haram“. Seine Eltern, insbesondere seine Mutter, die mit einem kleinen Marktstand das Familieneinkommen einbrachte, wollten ihren Sohnemann nicht kicken gehen lassen. Unterstützung gab es keine, weshalb sich Mamadou die Moneten für Ausrüstung etc. selbst erarbeiten musste. Über verschlungene Pfade kam er zu Friguiagbé FC und erst als er dort Stamm spielte und die ganze Nachbarschaft voll des Lobes über „das größte Talent des Landes“ war, gaben seine Eltern ihre ablehnende Haltung auf. Es dauerte nicht lange, und er wurde von französischen Scouts bei einem Jugendturnier entdeckt und umgehend von Racing verpflichtet, wo er in der Spielzeit 2006/07 vorerst in der zweiten Mannschaft im Championat de France Amateur zum Einsatz kam. 2008 folgten dann seine ersten Einsätze in der Ligue 1, aus der Strasbourg am Ende sang- und klanglos abstieg. In der zweiten französischen Division avancierte Bah dann zum absoluten Stammspieler im zentralen Mittelfeld. Sein kompromissloses, aggressives Spiel (trotzdem nur 5 gelbe Karten 2009/2010) gefiel den Fans und auch seine Statistiken wussten zu gefallen. So war er laut lequipe.fr in der abgelaufenen Saison der zweikampfstärkste defensive Mittelfeldmann der Liga und erarbeitete sich in 29 Spielen 2 Tore und 2 Vorlagen. Nichtsdestotrotz stieg Racing ab und so trennten sich die Wege. Es gab mehrere Interessenten, u.a. Blackpool FC, die Rovers aus Blackburn und AJ Auxerre aus Frankreich. Bah selbst tendierte laut eigener Aussage wohl zu einem Engagement in England, letztlich konnten ihn aber Bobic und Schneider vom VfB überzeugen.

Soviel also zur Herkunft des Spielers und der Entstehungsgeschichte des Transfers. Doch warum wurde er eigentlich geholt? Immerhin haben wir für die Zentrale schon vier Spieler, die sich die beiden Rolle teilen (Träsch und Funk den defensiven Part der Doppelsechs, Kuz und Gentner den offensiven), auch Neuzugang Camoranesi kann beide Rollen problemlos spielen. Und hat Trainer Gross nicht immer wieder betont, wie sehr er auf druckvolles Flügelspiel steht und dass er auf diesen Positionen zu wenig Spieler hat? Dazu hat man noch Walch abgegeben, also einen Mann, der prädestiniert für das Flügelspiel ist?  Neu-Manager Bobic sprach bei der Vorstellung des Spielers von „noch mehr Alternativen im Mittelfeld“, die man künftig haben werde. Das ist natürlich korrekt, legt einem aber auch zwei Schlüsse nahe:

1)      Rekonvaleszent Elson (Reha nach Kreuzbandriss) spielt nun wirklich gar keine Rolle mehr. Auch er hat schon (neben Hitz damals, wenn ich nicht irre) diese Rolle gespielt. Sein Vertrag läuft im Juni 2011 aus.

2)      Man scheint Talent Funk, immerhin Ex-Kapitän der Amateure und U-Nationalspieler, den ganz großen Sprung dieses Jahr noch nicht zuzutrauen. Was ich persönlich sonderbar finde, denn Funk hat in allen Teileinsätzen bisher auf der ganzen Linie überzeugt.

Ein weiteres „Problem“ – dadurch, dass Bah EU-Ausländer ist, kann man ihn auch nicht bei den Amateuren in Liga 3 einsetzen. Spielpraxis zu bekommen, könnte also schwierig für ihn werden. Vielleicht ereilt Bah also ein ähnliches Schicksal wie Georges Mandjeck, der nach mehreren Leihen abgegeben wurde und letztendlich (scnr) nichts weiter als eine reine Cashcow war?

Wie dem auch sei – das ist alles ziemlich spekulativ. Trotzdem kann ich mir auf diesen Transfer nicht wirklich einen Reim machen. Warten wir es einfach ab und hoffen, dass Bah wider Erwarten überzeugt und bald aktiv seinen Beitrag leisten wird.

Etwas anderes bleibt uns ja sowieso nicht übrig.

el pibe

Nachtrag: Der Spieler hat die Nummer 24 bekommen.

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12 Antworten zu “Die Neuen 2010/11 (8): Mamadou Bah”

  1. hirngabel September 9, 2010 um 12:03 pm #

    Wunderbar, vielen Dank für diesen umfassenden Beitrag. Ich hatte leider auch nicht sonderlich viel Erfolg bei der Suche nach einem entsprechenden, aktiven Racing-Blog als Interview-Partner. Hatte dann die Betreiber von racingstub.com kontaktiert, aber die haben mir leider nicht geantwortet.

    Interessant fand ich die Reaktionen zum Bah-Verkauf in den diversen Vereinsforen, wo die Urteile zumindest nicht so einhellig positiv klangen, wie bei Audel. Immerhin aber auch wenig richtig negatives. Bei der Beurteilung des Transfers ging es, soweit ich das verstanden habe, in erster Linie um die Höhe der Ablösesumme, wo sich einige Fans wohl etwas mehr versprochen hatten. Strasbourg scheint es derzeit ja alles andere als gut zu gehen.

    Eine nicht uninteressante Randnotiz zu Bah vielleicht noch, auch wenn es eher in den Boulevardbereich passt: Wenn mich mein eingerostetes Schulfranzösisch nicht ganz täuscht, war Bah vor einigen Monaten wohl mal eine Nacht in Polizeigewahrsam, nachdem er (mehrmals?) wegen Fahren ohne gültigen Führerschein aufgegriffen wurde. Er hatte wohl nur seinen guinesischen Führerschein, der nicht reicht in Frankreich.

    • elpibe23 September 9, 2010 um 12:21 pm #

      hehe – in der tat, das könte noch witzig werden. da er single ist, wird er auch bald mit arthur durch die einschlägige etablissements marodieren..

      😛

      was diese ablösesummen-diskussion angeht – ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. auch wenns ein tiefer griff ins phrasenschwein ist: geld schiesst keine tore. ein gutes, aktuelles beispiel ist shinji kagawa. kannte keiner, kostete nix, erwies sich als volltreffer. lewandowski dagegen, seit jahren in der forenwelt übelst gehypter spieler, kam für ~ 5 millionen von lech posen und spielt bisher keine rolle….

    • hirngabel September 9, 2010 um 12:31 pm #

      Sorry, das war missverständlich ausgedrückt. Mit den Vereinsforen waren die Foren von Racing Strasbourg gemeint. Die Forumslandschaft ist insgesamt doch sehr viel bunter und aktiver als die Bloglandschaft.

      Und die dortigen Reaktionen zum Verkauf von Bah bezogen sich halt meist auf den monetären Aspekt, während die Valenciennes-Fans stärker den Verlust eines guten Spielers bedauerten bzw. dankbar für die gute Zeit bei ihnen waren.
      Das kam bei Bah eher seltener vor und zudem gab es auch einige, die eben sagten „Gut dass er weg ist, da er mich eh nicht wirklich überzeugt hat“.

      Die unsrige Seite habe ich zu dem Thema gar nicht durchgeguckt in den Foren, da mir eh klar war, was zu dem Thema gesagt werden würde…

  2. snej September 9, 2010 um 12:40 pm #

    Das Problem an diesem Transfer ist nicht der Spieler Bah. Den wird kaum einer kennen geschweige denn wirklich einschätzen können, prinzipiell sind solche Transfers sicherlich sehr wünschenswert, ohne Frage, aber die Frage ist wieso man diesen Sommer mit Rudy, Lanig und Mandjeck (Khedira mal aussen vor, der war nicht zu halten) freiwillig 3 DMs verkauft hat, nur um dann auf den letzten Drücker doch noch einen zu kaufen. Hätte man stattdessen nicht besser Mandjeck oder Rudy behalten können?

    • elpibe23 September 9, 2010 um 1:37 pm #

      snej: ich glaube, das war mehr zwang als das es freiwillig geschah.

      lanig: dem kam die derbe verletzung dazwischen, war noch 08/09 bester roleplayer der liga, die meisten tore&assists von der bank. dann kreuzbandriss, kuz und gentner kamen, perspektive für lanig: futsch. der wollte einfach wieder spielen, das wäre bei uns schwierig geworden.

      mandjeck: war durch die zweimalige leihe wohl dermaßen gekränkt, dass er gar nicht mehr an den wasen wollte. hatte das auch frühzeitig kommuniziert. einziger vorwurf hier: hat ne passable bis gute WM gespielt, war trotz jugend einer der besten bei den unzähmbaren löwen. da hätte man mehr geld rausholen können als die kolportierten 1,2 mio, die rennes gezahlt hat.

      rudy: ganz ehrlich – wenn einer kommt, der für ein seit 2,5 jahren stagnierendes talent 4,5+1,5 zahlt, dann sofort ab dafür. auch wenns bitter ist, da für den fan weiteres identifikationspotenzial verloren ging. dank des sauteuren kaders, den wir letztes jahr duchgeschleppt haben,waren es hier wohl in erster linie monetäre zwänge, die zum verkauf geführt haben.

      insgesamt kann ich es schon verstehen, dass alle drei abgegeben wurden. ich hätte mir nur gewünscht, dass man dann auch in wirkliche flügelspieler investiert. ich denke da an leute wie zb mauro isla/udinese calcio oder volkan sen/bursaspor. auch filip holosko/besiktas wäre ein kandidat(gewesen).

    • snej September 9, 2010 um 2:09 pm #

      Mandjeck soll AFAIK ne Klausel gehabt haben, wonach er für den Betrag gehen konnte.

      Die Abgänge diesen Sommer sind ja prinzipiell auch alle logisch zu erklären bzw. die Abgänge sind meist immer irgendwie zu erklären, nur die Frage ist halt, was danach kommt und mir fehlt hier halt irgendwie der grosse Plan und das Konzept. Es scheint alles etwas viel auf dem Zufallsprinzip zu beruhen. Erwin Staudt stellt sich Freitags hin und meint wir bräuchten keine Kracher, die kommen aus der Jugend und 2 Tage später gibt man den talentiertesten Spieler im Stall ab.

      Und ohne das Thema Petric hier weiter ausführen oder von Bah ablenken zu wollen, stellt sich mir da die Frage, ob man Mladen Petric oder einen Stürmer wollte. Monatelang faselt man von kein Geld und am Ende holt man schier noch einen sicherlich nicht sonderlich billigen Petric.

  3. hirngabel September 9, 2010 um 12:50 pm #

    Ja, den Aspekt habe ich in meinem Kommentar geschlabbert: Ganz unabhängig von Bah selbst bin ich mir auch vollkommen unsicher, was der Hintergrund dieses Transfers ist.

    Ich glaube, bei Rudy musste man einfach zuschlagen, da das Angebot von Hoffenheim sehr gut war und er sich zudem nie wirklich durchsetzen konnte. Bei Lanig hätte ich mir persönlich gewünscht, dass er bleiben würde, da ich ihn eigentlich immer gemocht hatte. Aber vielleicht wollte er von sich aus einfach weg, um realistischere Chancen auf Einsätze zu haben (und das wäre beim VfB sicherlich nicht drin gewesen, beim besten Willen).
    Bei Mandjeck könnte die Situation ähnlich gewesen sein, dass er von sich aus den Wechsel gesucht hat, um mehr Einsatzmöglichkeiten zu kriegen.

    Da hält sich ein Neuer sicherlich eher ruhig.

    Das wäre meine Theorie.

  4. Vio September 10, 2010 um 11:21 am #

    @El Pibe

    Mandjeck hat doch bei der WM gar nicht gespielt, du hast da sicher noch den Africa Cup in Erinnerung.

    Die Ausstiegsklausel hat es wohl wirklich gegeben.

    • elpibe23 September 10, 2010 um 11:42 am #

      öööhmja – natürlich, @vio. völlig korrekt.

      diese klausel ist mir trotzdem völlig neu – muss ich wohl verpennt haben. insofern war da dann tasächlich nix mehr zu machen.

  5. Sport Guider September 13, 2010 um 4:18 pm #

    Danke für de Infos über Bah. Wußte bisher nur wenig über ihn. Das mit dem Führerschein hab ich auch gelesen.Lustige Geschichte…

  6. Timo September 16, 2010 um 3:44 pm #

    Ich denke heute dürfen wir VfB Fans ihn zum ersten Mal spielen sehen. Bin wirklich sehr gespannt was er für einen Eindruck hinterlässt. Zur Zeit sind wir ja wirklich nicht mit Erfolg verwöhnt….

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  1. Tschubby-Tschubby « Brustring - Oktober 1, 2010

    […] vertändelten Ball hinterher wetzt und ihn sich in der eigenen Hälfte wieder zurückholt; wenn Neuzugänge bei ihrer Premiere aufspielen, als wären sie schon immer da gewesen; wenn die ganze Mannschaft mit […]

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